Historical Platin Band 04
er ihr den Dolch ins Herz gestoßen, wäre der Stich gewiss leichter zu ertragen gewesen als diese Worte. Sie erstarrte, wiederholte im Stillen immer wieder, was er gesagt hatte, und begriff, wie sehr sie von ihm verraten worden war. Sie brachte es nicht über sich, ihn anzusehen, empfand jäh den Wunsch, weit weg von ihm zu sein, und stieß ihn von sich.
Er rollte sich zur Seite und wehrte sich nicht gegen ihre auf ihn eindreschenden Fäuste, da er wusste, warum sie so wütend war.
Ihr Zorn schwand schnell, und Schmerz erfasste sie, nahm ihr den Trost, sich in Rage flüchten zu können. Sie raffte das Übertuch an sich und bedeckte ihre Blöße. Sie konnte kaum atmen, so sehr beengte sie das Gefühl, ein Ring habe sich ihr um die Brust gelegt. James machte keine Anstalten, zu ihr zu kommen, sie beruhigend an sich zu schmiegen. Sie hob die Hand, strich mit matter Geste das wirre Haar aus dem Gesicht und sah ihn an. Plötzlich wirkte er wie ein Jäger auf sie, der seine Beute zur Strecke gebracht hatte. Er hatte die Augen verengt, und nur die geballten Hände ließen auf die Wut schließen, die in ihm tobte. Seine Reglosigkeit erschreckte Seana. Er lag auf dem Bett, beobachtete sie und schien auf etwas zu warten. Sie ertrug es nicht, seinem Blick noch länger standzuhalten, brachte es indes nicht fertig, die Augen von ihm zu wenden, auch wenn sie es am liebsten getan hätte.
Jäh entsann sie sich der Narben auf seinem Rücken und fragte sich, warum sie das vergessen hatte. Er war ein Kämpfer. Sein Leib war gestählt und wunderschön. Sie versuchte, Schuldgefühle in sich zu erzeugen, weil sie ihn so kühn betrachtete, doch es gelang ihr nicht. Sie war nicht nur neugierig, weil sie noch nie einen Mann nackt gesehen hatte. Sie bemühte sich verzweifelt, den Grund herauszufinden, weshalb sie ihn derart begehrte. Plötzlich fiel ihr auf, dass Blut durch den Verband am Oberschenkel gedrungen war. Doch das störte sie nicht.
„Seana.“
„Sprich nicht!“, erwiderte sie verbissen. „Ich kann deine Verlogenheit nicht ertragen.“ Sie schloss die Augen und kämpfte gegen ein sich bemerkbar machendes Gefühl der Leere an.
Verärgert fragte sich Micheil, ob sie glaube, sie könne ihn so leicht loswerden. Sie hatte ihn derart in Bann geschlagen, dass er über dem Drang, sich mit ihr zu vereinen, alles andere vergaß. Er bemerkte die Flecke ihres Blutes auf dem Leintuch. Sie schämte sich sichtlich und hatte die Augen geschlossen. Durch ihr Haar war ein Teil der Schulter zu erkennen, auf dem sich ein blaues Mal abzeichnete, Folge des Ungestüms, das er in der Nacht bewiesen hatte. Da Seana ihm vorgehalten hatte, sie könnte seine Verlogenheit nicht ertragen, stand er auf und sah sie die Lider aufschlagen.
Sie bemerkte die Kratzer, die sie ihm auf dem Rücken beigebracht hatte, und wandte rasch die Augen ab. Da erblickte sie die Blutflecken und gelobte sich, nicht zu weinen. Sie hatte die Reinheit verloren und konnte nur sich die Schuld dafür geben. Sie hörte ihn sich zu trinken einschenken und sehnte sich nach Flüssigkeit, um den trockenen Hals zu benetzen. Indes würde sie ihn nicht um etwas zu trinken bitten. Sie würde ihn nie mehr um etwas ersuchen. Sie hielt die Decke fest und griff mit der freien Hand nach ihren Sachen.
Micheil leerte den Becher, goss ihn wieder voll und sagte: „Wenn du das Verlangen nach Sittsamkeit hast, zieh mein Hemd an.“
„Eher würde ich mir eine Schlangenhaut überstreifen!“
„Tobe und lamentiere, so viel du willst. Das Geschehene kannst du nicht rückgängig machen.“
Der Stolz half Seana, wiewohl ihr nur wenig davon geblieben war. „Ich kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen“, erwiderte sie schroff. „Indes werde ich Buße tun und darum beten, dass unsere Vereinigung keine Früchte trägt.“
„Glaubst du, verflucht zu sein, falls du durch mich guter Hoffnung wirst?“
Seana war nicht entgangen, wie sehr er innerlich vor Zorn tobte, obwohl er leise und beherrscht gesprochen hatte.
Ehe sie etwas erwidern konnte, fuhr er fort: „Beunruhige dich nicht, Seana. Ich werde ebenfalls darum beten.“
Das war leicht gesagt. Der Wein konnte jedoch nicht den bitteren Geschmack im Mund vertreiben. Micheil wusste, er hatte seine Ehre aufs Spiel gesetzt.
Seana wurde sich bewusst, dass sie ihn herausgefordert hatte. Er presste die Lippen zusammen, und sein Blick wurde eisig. Wider Willen lachte sie spöttisch auf, doch gleichzeitig rannen ihr die Tränen über die Wangen.
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