Historical Platin Band 04
Mittelnische zum Fenster und schob den Laden in die Wand. Tief atmete sie in der frischen Nachtluft durch und klammerte sich an die Laibung. Der kalte Schweiß brach ihr aus. Sie verharrte auf der Stelle, bis der Dunst sich über dem Meer lichtete und sie das Kreischen der Möwen vernahm, die auf Futtersuche waren. Vor Angst zitternd und in der Kühle fröstelnd, wandte sie sich ab und erstarrte. Die Kruke und der Pokal waren verschwunden.
16. KAPITEL
Verstört überlegte Seana, ob sie das Vorhandensein der Weinkanne und des Bechers nur geträumt habe. Entsetzt betete sie darum, das Erlebnis möge nicht der Beginn einsetzenden Aberwitzes sein. Flehend hob sie die Hände und bemerkte, als die Ärmel zurückfielen, blaue Druckstellen auf den Armen. Also hatte kein Nachtmahr sie geplagt. Beklommen fragte sie sich, wer sie nächtens heimgesucht haben mochte. Mistress Fiona und die Schwester des Laird hatten Grund, sie zu hassen. Und Master Niall war ihr auch nicht gewogen. Andererseits hatte ein Schildwart die Pforte ihrer Kammer bewacht. Erneut glaubte sie, das in der Nacht vernommene hämische Gelächter zu hören. Unvermittelt wünschte sie sich, der Laird möge nachts bei ihr sein. Es war ihr lieber, sich mit ihm auseinanderzusetzen, denn nicht zu wissen, wen sie sonst noch zu fürchten hatte.
Sobald sie in das Backhaus gebracht worden war, berichtete sie der Meierin das nächtliche Erlebnis und bemerkte an deren verkniffenem Mund, dass Peigi ihr offensichtlich nicht glaubte.
„Denkt nicht, in der Veste sei irgendjemand, der Euch feige vergiften würde, ganz gleich, wie sehr jeder Euch den Tod wünscht!“, erwiderte Peigi scharf.
„Vorhin war mir schrecklich schlecht“, sagte Seana kläglich. „Vielleicht hat mich dasselbe Übel befallen wie Moibeal.“
Peigi musterte Mistress Seana genau und entgegnete: „Betet darum, dass dem nicht so ist! Moibeal ist gesegneten Leibes.“
Seana spürte sich erblassen und begann zu schwanken.
„So Ihr nur dem Herrn beigelegen habt …“
„Ja, kein anderer hat mich berührt!“, unterbrach sie heftig und entsann sich, dass ein Weib im Traumgespinst oder in Wirklichkeit gefragt hatte, ob ihr Begleiter Seana haben wolle, und er daraufhin erwidert hatte, er wolle nur sie. Du lieber Himmel! Seana merkte, dass sie sich übergeben musste, hastete ins Freie und erbrach sich.
Peigi unterließ es, ihr zu folgen.
Entgeistert sagte sich Seana, es könne nicht sein, dass sie von Micheil empfangen hatte. Bestimmt war das Unwohlsein auf den Genuss des Weines zurückzuführen. Keuchend kehrte sie in die Küche zurück und war sicher, dass die Frau des Haushofmeisters sich getäuscht hatte. An diesen Gedanken klammerte sie sich.
Am späten Nachmittag befand sie sich allein im Backhaus, da Peigi in das darunterliegende Gewölbe gegangen war. Master David betrat den Raum und beschwerte sich, dass die Meierin ihm nicht den gewünschten Krug Würzbier geschickt hatte. Er äußerte auch, er sei gekommen, weil er wissen wolle, wie es Seana ergehe.
Der unschuldige Liebreiz, der ihn zunächst so zu ihr hingezogen hatte, war geschwunden. Dennoch war Seana eine Schönheit. Wenngleich sie die ärmliche Kleidung des Gesindes trug, hielt sie sich stolz aufrecht. Er verengte die Augen, als er den sich schließenden Riss an ihrer Wange und die dunklen Schatten unter ihren Augen bemerkte. „Von mir hast du nichts zu befürchten“, sagte er und blieb beim Eingang stehen, da er annahm, sie würde die Flucht ergreifen, wenn er sich ihr näherte.
Sie betrachtete ihn und entsann sich seiner freundlichen Art, die er ihr in der Nacht bewiesen hatte, als sie nach Halberry Castle gebracht worden war.
„Du musst dich nicht vor mir ängstigen.“
„Du bist der Bruder des Laird. Verachtest du mich nicht der Vergehen wegen, die meine Sippe begangen hat?“
„Ich weiß sehr gut, wer du bist. Ich versichere dir jetzt zum dritten Mal, dass ich dich nicht belästigen werde. Ich bin nicht Micheil. Er ist das Oberhaupt unseres Clans. Ich hoffe, er bleibt bei Kräften und wird nicht von einem Feind im Kampf getötet. Das Gleiche gilt auch für James.“
David ging zur Schafreite, nahm einen Becher herunter und begab sich zum Stutzen. Er zog den Spund heraus, füllte den Humpen mit Bier und verschloss das Loch. Befremdet stellte er dann fest, dass Seana ihn argwöhnisch beobachtete. In dem Moment, da er zum Fass gegangen war, hatte sie sich an die andere Seite des
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