Historical Platin Band 04
begann, in den letzten Ecken von Helsas Hütte herumzusuchen. Zwar war sie ziemlich sicher, die meisten Heilkräuter und Tinkturen schon gefunden zu haben, doch es mochte hier ja noch andere nützliche Dinge geben.
Helsa war offensichtlich sehr unordentlich gewesen. Mäuse hatten sich an dem Inhalt der Körbe gütlich getan und – den Kadavern nach zu urteilen – dabei auch einiges gefressen, was ihnen schlecht bekam.
Meradyce rümpfte die Nase und ging zu einigen größeren Körben, von denen sie annahm, dass sie Leinzeug enthielten. Stattdessen fand sie darin Tontöpfe, die mit einer Flüssigkeit gefüllt waren. Es gelang ihr, den Deckel von einem dieser Gefäße zu lösen.
Die Flüssigkeit duftete nach Äpfeln. Meradyce tauchte einen Finger hinein und kostete. Ja, es handelte sich um ein harmloses, aus ausgepressten Äpfeln hergestelltes Getränk, das man gewöhnlich im Herbst genoss. Sie holte sich einen Becher und schenkte sich etwas davon ein.
Der Saft war klar und blassgolden; sein Aroma erinnerte sie an die Erntezeit und an lange, fröhliche Stunden hoch oben im belaubten Geäst beim Apfelpflücken. Meradyce setzte sich auf einen Hocker an den alten, wackeligen Holztisch und trank. Es war, als kostete sie wieder ihr Daheim – soweit sie jemals wirklich eines gehabt hatte.
Nach dem Tod ihrer Eltern war sie ganz allein auf der Welt gewesen. Es gab durchaus Männer, die an diesem Zustand etwas ändern wollten, doch sie wusste genau, dass es nur ihre äußerliche Schönheit war, die diese Burschen interessierte. Um ihre Gefühle, ihre Bedürfnisse und ihre Wünsche kümmerte sich niemand.
Paul war die einzige Ausnahme gewesen, doch er konnte und wollte sie nicht heiraten.
Sie leerte ihren Becher und hob sich die Hand ans Haar. Wenn sich die Männer doch nur von den abgeschnittenen Strähnen abgestoßen fühlen würden!
Unglücklicherweise hatte sie diesmal jedermanns Aufmerksamkeit selbst auf sich gelenkt. Was für eine Torheit!
Ihre Wangen wurden ganz heiß, wenn sie daran dachte, was für ein Gesicht Einar gemacht hatte, als sie ihm in der Halle den Wein einschenkte. Überraschung und Verlangen hatte sie in seinen Augen lesen können. War das der eigentliche Grund für ihre Handlung gewesen? Hatte sie diesen sehnsüchtigen Blick sehen wollen, der ihr bewies, dass sie eine gewisse Macht über den Mann besaß?
Schon möglich.
Sie trank noch einen Becher von dem Apfelsaft. Was war denn überhaupt so furchtbar falsch an dem, was sie getan hatte? Sie konnte doch die Wikinger genauso abweisen, wie sie andere Männer zuvor auch schon abgewiesen hatte. Sie konnte auch Einar abweisen. Sie war frei …
Ihr war, als hätte sie eben ein Geräusch gehört. Sie drehte sich zur Tür um. Bei dieser Bewegung schwindelte ihr, und sie blinzelte, um überhaupt sehen zu können, wer dort stand.
Einar!
Sie erschrak; der Mann bewegte sich nicht, und trotzdem schien seine Gestalt sich irgendwie zu verändern.
Meradyce schloss die Augen und schüttelte den Kopf, doch davon schwindelte es ihr noch mehr. Sie öffnete die Augen wieder. Der Mann hatte sich nicht bewegt.
„Du bist überhaupt nicht Einar“, sagte sie vorwurfsvoll, ohne zu merken, wie undeutlich ihre Aussprache klang. „Ich habe dich mir nur ausgedacht. In meinem Kopf. Du bist nur ein … ein Trugbild oder so etwas.“
Sie blickte auf ihren leeren Becher und kicherte. „Ach, jetzt weiß ich, was geschehen ist! Dieses Zeug war gegoren, und jetzt … bin ich betrunken! Ich habe von Männern gehört, die immer Sachen sahen, wenn sie zu viel Wein getrunken hatten. Ich habe das nie recht geglaubt. Bis jetzt.“
Sie schüttelte den Tontopf. „Oh, ich muss eine ganze Menge davon getrunken haben.“ Sie runzelte die Stirn und schmunzelte dann. „Ich war bisher noch nie betrunken.“ Sie überlegte einen Moment. „Es ist gar nicht einmal unangenehm. Ich verstehe jetzt, warum die Männer …“
Sie lächelte wieder und zuckte die Schultern. „Wenn ich sowieso schon betrunken bin, kann ich ja auch noch mehr trinken. Besonders wenn ich dann einen Einar sehe, der so viel netter als der wirkliche ist.“
Meradyce schenkte sich nach und übersah großzügig, dass sie die Hälfte dabei verschüttete. Sie schaute zu dem Trugbild hin, das sich noch immer nicht bewegt hatte, kicherte dann wieder und schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht, du dumme Gans. Wenn das nicht der wirkliche Einar ist, dann bleibt er auch, wo er ist.“
Sie lehnte sich zurück, wobei
Weitere Kostenlose Bücher