Historical Platin Band 04
„geklinkerter“, also überlappender Weise die Spanten bedecken und so den Rumpf formen würden. Als Adelar näher trat, bemerkte er zu seinem größten Erstaunen, dass einige der unteren Planken nicht mit Nägeln, sondern anscheinend mittels Wurzelfasern untereinander und mit den Spanten verbunden waren.
„Dadurch kann sich der Rumpf in harter See besser verwinden“, erklärte Einar, dem Adelars Verblüffung nicht entgangen war.
„Wird er denn dann nicht undicht?“, fragte Adelar ziemlich ungläubig.
„Ein wenig schon“, gab Einar zu. „Trotzdem ist dies am besten so.“ Sinnend betrachtete er das Langschiff. „Man wünscht sich, dass sich das Schiff unter einem wie eine Frau bewegt, auf jede Bewegung reagiert, jeden …“
„Verstehe ich nicht. Ein Schiff ist doch kein Lebewesen.“
Lächelnd blickte Einar zu dem Jungen hinunter. „Nein? Vielleicht baut ihr Sachsen deshalb auch Schiffe, die nur in Flüssen herumdümpeln können.“
Adelars Miene verdüsterte sich. Er vertrug es nicht, wenn jemand sein Volk kritisierte, doch wenn er sich so die eleganten Linien des Wikingerschiffs ansah, dann vermochte er nicht zu leugnen, dass die Sachsen noch eine Menge von den Schiffsbauern der Wikinger lernen konnten.
„Wie viele Männer fasst es?“
„Genügend.“
Adelar beobachtete die arbeitenden Gehilfen. Sie schienen genau zu wissen, was sie zu tun hatten, ohne dass es ihnen erst jemand sagen musste. Ein Nicken oder ein kurzes Wort von Björn, darin bestand die ganze Anleitung.
„Komm“, sagte Einar unvermittelt. „Lass uns fischen gehen.“ Adelar warf einen Blick zu ihm hoch. Einar schien plötzlich gar nicht mehr so nett und freundlich zu sein. Möglicherweise hätte ich mein Interesse am Schiffsbau nicht so offen zeigen sollen, dachte der Junge. Andererseits war Einar schon seit einigen Tagen so gereizt, und es hatte vielleicht gar nichts mit dem Jungen zu tun.
Einar führte Adelar einen Hügel hinan zu einem tiefen Teich in einem Bach, der zum Fjord hinunterfloss und sich in einem herrlichen Wasserfall in diesen ergoss.
Einar griff in seine Tunika und holte eine Leine mit einem daran befestigten Knochenhaken hervor. Diese gab er Adelar. Er selbst warf sich auf die Erde und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Nun fische!“, befahl er.
Adelar betrachte den Mann auf dem Boden. Er hatte die Augen geschlossen. Vielleicht braucht er wirklich nur etwas Schlaf, dachte Adelar und verhielt sich so still wie nur möglich.
„Adelar?“
Der Junge blickte zu seinem Gefährten hinüber. Einars graue Augen schienen ihn zu bannen. „Ja?“
„Weshalb hat Meradyce keinen Ehemann?“
Eine solche Frage hatte der Junge nun wirklich nicht erwartet, und sie gefiel ihm auch nicht. „Das weiß ich nicht.“
„Hat ihr schon einmal jemand einen Antrag gemacht?“
„Keine Ahnung.“
„Hat es jemals einen Mann gegeben, den sie … nun, gernzuhaben schien?“
„Das weiß ich nicht.“ Adelars Herz klopfte heftig. Er starrte in das Wasser und merkte, dass sein Gesicht ganz heiß wurde. Wenn er einmal älter war, würde er wissen, dass ihn die Eifersucht gepackt hatte, doch jetzt wusste er nur, dass Einars Fragen ihm nicht passten.
Er zog die Angelleine ein. „Ich möchte zurückkehren.“
Einar rührte sich nicht. „Was hast du denn?“
Adelar zuckte die Schultern. „Nichts.“ Er wollte nicht, dass jemand erfuhr, was er für Meradyce empfand – und schon gar nicht Einar. „Ich habe Hunger.“
„Trink einen Schluck Wasser aus dem Teich. Wir bleiben hier noch eine Weile.“
Adelar gehorchte und ließ die Angelleine dann wieder ins Wasser fallen.
„Sie ist sehr schön. Ich dachte, eine Frau wie sie müsste doch eigentlich verheiratet sein“, meinte Einar so ganz nebenbei.
„Endredi sagt, dieser Ull würde immer Sachen zum Essen anbringen, weil er Meradyce mag.“
„Hm.“
„Sie würde nie damit einverstanden sein, einen Wikinger zu heiraten.“
Lächelnd blickte Einar den Jungen an. „Nein?“
„Willst du sie vielleicht heiraten?“ Die Frage klang völlig arglos, doch Adelar wartete mit angehaltenem Atem auf Einars Antwort.
„Nein, will ich nicht.“
Der Junge atmete erleichtert auf.
„Weshalb macht sie denn Ull und den anderen überhaupt Hoffnungen?“
Adelar zuckte die Schultern, doch da er jetzt sicher war, dass sich Einar nicht für Meradyce interessierte, hatte er keine Bedenken, zu antworten. „Macht sie ja gar nicht. Sie ist einfach so, wie sie immer ist,
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