Historical Platin Band 04
Meradyce. Einar bewegte sich ein wenig; schon schwenkte der Blick des Häuptlings und ruhte nunmehr auf seinem Sohn. „Einar wird diese Frau heiraten.“
„Das ist ungerecht!“, rief Ull. „Du hast selbst gesagt, sie darf wählen!“
Sehr langsam erhob sich Svend. „Willst du mich etwa herausfordern, Ull?“, fragte er, und weil es ganz still in der Halle war, klang seine Stimme umso beängstigender.
Ull schüttelte den Kopf. „Ich wollte dich nur an deine eigenen Befehle erinnern.“
Svend lächelte kalt und setzte sich wieder. „Du hast recht Ull. Doch jetzt ändere ich meine Befehle. Sie wird Einars Gemahlin werden.“
„Ich verlange, dass diese Entscheidung vor das Althing gebracht wird“, entgegnete Ull, wobei er sich auf die jährliche Gerichtssitzung bezog, welche alle anstehenden Streitfälle verbindlich regelte.
„Ich denke, niemand wird eine Eheschließung für eine Angelegenheit halten, die diskutiert werden muss, ob vor dem Althing oder sonst wo“, erwiderte Svend ruhig. „Ich habe gesprochen, und jetzt will ich nichts mehr davon hören.“
Während Svend seine Entscheidung bekannt gemacht hatte, war Einar seiner Rede so aufmerksam gefolgt, als interessierte ihn die Frau überhaupt nicht, die neben ihm stand. Und die jetzt seine Gattin war.
Er wusste, dass er die Rede hätte unterbrechen und Svend mitteilen können, dass er nicht zu heiraten wünschte. Das jedoch hätte bedeutet, dass er seinem Vater die Führerschaft über die Siedlung streitig machte. Da Einar dieses nicht beabsichtigte, wagte er es nicht, sich noch einmal einem Befehl des Häuptlings zu widersetzen.
Dass er nur aus diesem Grund keinen Einspruch einlegte, redete er sich jedenfalls selbst nachdrücklich ein. Allerdings erklärte das nicht, weshalb jetzt sein Herz so heftig hämmerte und weshalb das Blut so heiß durch seine Adern strömte. Mit der Klärung dieses Problems wollte er sich indessen nicht unnötig aufhalten.
„Was hat er gesagt?“, fragte Meradyce.
Einar sah ihr ihre Beunruhigung an und versuchte, selbst ein so ausdrucksloses Gesicht wie nur möglich zu machen. „Dass du jetzt meine Gemahlin bist.“
„Was?“
„Svend hat mich soeben zu deinem Gatten erklärt.“
„Er hat doch gesagt, ich sei frei!“
„Jetzt nicht mehr. Jetzt gehörst du mir.“
„Das heißt also, das Wort eines Wikingers ist nur so lange gültig, bis er seine Entscheidung ändert?“, fragte sie leise, doch höchst verächtlich.
„Das heißt, dass der Häuptling einen Befehl erteilt hat, dem wir uns zu beugen haben.“
„Was sagt sie?“, wollte Svend wissen.
„Sie dankt dir für deinen weisen Beschluss“, antwortete Einar.
„Umso besser. Dann ist die Sache erledigt“, sagte Svend und hob sein Trinkhorn.
Mit finsterer Miene verließ Ull die Halle.
Olva trat vor. „Uns bleibt überhaupt keine Zeit, ein Festmahl zu richten!“, beschwerte sie sich, doch Svend hob seine riesige Hand.
„Genug jetzt!“, brüllte er. „Sie sind vermählt, und damit Schluss!“ Er blickte Einar an und zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen. „Also, mein Sohn, willst du da nun stehen bleiben, oder willst du endlich deine Frau nehmen und anfangen, mit ihr für Nachkommen zu sorgen?“
Stumm fasste Einar Meradyce bei der Hand und zog sie hinter sich her zur Halle hinaus. Erst als sie sich in seinem Haus befanden, ließ er sie wieder los und schaute ihr ins Gesicht.
Eigentlich hatte er erwartet, leidenschaftlichen Zorn in ihrer Miene zu erkennen, doch ihre Augen verrieten nichts außer zurückhaltendem Spott.
„Wie ich sehe, haben die Sachsen und die Wikinger eine unterschiedliche Auffassung von Ehre“, bemerkte sie verächtlich.
„Ich hatte in dieser Sache ebenso wenig zu sagen wie du.“
„Dann lass mich frei.“
„Damit du zu Ull gehen kannst?“
„Nein“, sagte sie leise und verschränkte langsam die Arme vor der Brust. „Damit ich frei sein kann.“
„Nein, das werde ich nicht tun. Du bist jetzt mein Eheweib.“
Er ging durch den Raum und nahm sein Trinkhorn zur Hand. Er musste etwas tun, gleichgültig was, während er um Beherrschung rang. Wie konnte die Frau nur so gelassen bleiben? Erkannte sie nicht, wie sehr sie ihn damit in Wut versetzte?
Meradyce’ Gesicht verriet nichts von ihren Gefühlen, doch in ihrem Inneren wüteten die Empfindungen wie ein wilder Sturm auf hoher See. Dass die Wikinger ihr zuerst die Freiheit gaben, um sie ihr dann wieder so einfach fortzunehmen, war ungeheuerlich.
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