Historical Saison Band 06
stand, sie zu verstoßen.
Er senkte die Zeitung und schaute sie über den Rand hinweg an. „Guten Morgen. Du musst sehr früh aufgestanden sein.“
Sie setzte sich gerade hin und wurde sich ihrer in Unordnung geratenen Frisur und des zerknitterten Kleides bewusst. „Entschuldige bitte, du hättest mich wecken sollen, als du eingetreten bist.“
Er biss sich auf die Unterlippe. „Du hast in der letzten Nacht nicht gut geschlafen, und ich wollte dich nicht stören. Ist alles mit dir in Ordnung?“
„Mir geht es gut.“ Zumindest so gut wie es einem in einer solchen Situation gehen konnte, wo sie den Blick seiner kalten grauen Augen auf ihrem Gesicht spürte und wusste, dass er sie verachtete.
„Es wird nicht wieder vorkommen.“
Sie zuckte zusammen. „Das hast du bereits in der letzten Nacht klargestellt.“ Er hatte sie genommen, um sich an ihr zu rächen, und sie war dumm genug gewesen zu hoffen, es geschähe aus Leidenschaft und Versöhnlichkeit. Du liebe Güte! Und sie hatte ernsthaft geglaubt, sie wäre inzwischen erwachsen … Sie seufzte tief und sagte: „Ich muss dich um etwas bitten. Um einen Gefallen.“
Seine Miene verfinsterte sich noch mehr. „Einen Gefallen … Dir steht es wohl kaum zu, Forderungen zu stellen! Natürlich …“
„Ich stelle keine Forderung …“, unterbrach sie ihn, „… ich bitte dich nur um etwas.“ Mühsam die Fassung wahrend fuhr sie fort: „Wenn du dich von mir scheiden lässt – ich weiß nicht, wie diese Angelegenheiten genau geregelt werden –, aber vielleicht wäre es möglich, dass Miss Lyndhurst nicht erfährt, wer ‚Miss Saunders‘ ist? Ich … Ich werde ein Empfehlungsschreiben brauchen … und sie … Ich denke, es würde sie schwer verletzen, die Wahrheit zu erfahren.“ Eilig ergänzte sie: „Selbstverständlich möchtest du, dass ich die Anstellung bei ihr sofort aufgebe, aber ohne Referenzen …“ Ihre Stimme zitterte, und sie verstummte. Ohne ein Empfehlungsschreiben und mit einem solchen Skandal, der sich mit ihrem Namen verband, würde sie nie wieder eine seriöse Anstellung finden. Da konnte sie sich genauso gut ein Schild mit der Aufschrift „Hure“ um den Hals hängen. Eben dies war es ja, was Anthony von ihr dachte.
„Ich verstehe.“ Seine Stimme klang kalt und unnachgiebig. „Es wird dich vielleicht überraschen, aber ich habe nicht die geringste Absicht, deiner Bitte zu entsprechen.“
Eine furchtbare Angst befiel sie. Konnte Anthony sie so sehr hassen? „Nun gut.“ Sie musste ihre Beine zwingen, ihr zu gehorchen, als sie sich erhob und das Buch auf den Tisch gleiten ließ, der neben ihrem Sessel stand. Es kam ihr sonderbar vor, dass es exakt in der Mitte landete.
„Wohin gehst du?“ Seine Worte trafen sie wie ein Peitschenhieb.
Nur mit äußerster Willensanstrengung gelang es ihr, ruhig zu antworten. „Ich gehe packen. Du möchtest sicher, dass ich möglichst rasch verschwinde. Wenn du mir bitte die Adresse deines Anwalts nennst …“
„Verdammt, Georgie! Ich habe gemeint, dass ich mich nicht von dir scheiden lasse! Du gehst nirgendwohin!“
Alles im Zimmer begann sich zu drehen, und ihr wurde schwarz vor Augen.
„Georgie!“
Er fing sie mit seinen starken Armen auf, trug sie zurück zu dem Lehnstuhl und öffnete eilig die Knöpfe an ihrem Kragen, wobei er leicht ihre Wangen berührte. Wieder war da dieser Traum – der, in dem die letzten vier Jahre nie geschehen waren und in dem er sie noch immer liebte …
Der Nebel lichtete sich, und sie sah, dass er sich über sie beugte. „Trink das.“ Sie spürte ein Glas an ihren Lippen, und eine feurige Flüssigkeit rann ihr die Kehle hinunter. Hustend schob sie das Glas beiseite.
„Nein, bitte …“
„Trink es. Du bist ohnmächtig geworden. Es ist nur Brandy. Er wird dir guttun.“
Seine Hände umschlossen ihre Finger rund um das Glas, und die Berührung ließ sie am ganzen Körper erbeben. Es war das Gefühl, dass er bei ihr war.
Unvermittelt ließ er sie los und trat einen Schritt zurück.
Georgie glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Es lag doch auf der Hand, dass er sich von ihr scheiden lassen wollte.
„Damit eines zwischen uns klar ist, Georgie. Ich werde mich nicht von dir scheiden lassen.“
Verwirrt sank sie in den Lehnstuhl zurück. Seine Worte hallten in ihrem Inneren nach. Er hatte doch in der letzten Nacht deutlich gemacht, dass er glaubte, sie habe ihn betrogen.
Es bleibt abzuwarten, welche neuen Tricks du gelernt hast …
Er drehte
Weitere Kostenlose Bücher