Historical Saison Band 06
sicher besser ertragen.“ Er hielt inne und verspürte Gewissensbisse. „Und vielen Dank. Sie konnten schließlich nicht wissen, dass Miss Ward keinen Alkohol anrühren darf.“
„Danke, Mylord“, erwiderte der Gastwirt erleichtert und verließ hastig den Raum.
Stille beherrschte den Salon. Nur Cassies ruhiges Atmen, das Knistern des Kaminfeuers und das leise Tropfen des Regens gegen die Fensterscheiben waren zu vernehmen. Peter hatte eine zwölf Monate alte Ausgabe der „Quarterly Review“ gefunden und ließ sich zum Lesen nieder. Er überflog einen Artikel über romantische Dichter und dann einen Nachruf auf ein bedeutsames Parlamentsmitglied, von dem er nie etwas gehört hatte. Er hatte gerade begonnen, ein paar miserable Verse zu studieren, als er merkte, dass Cassie erwachte und ihn mit ihren wundervollen goldbraunen Augen betrachtete. Diesmal verriet ihr Blick allerdings einen großen Unmut. Peter wusste sofort, dass sie wieder vollkommen klar war und sich an alles erinnerte. Stocksteif saß sie da.
„Sie sind Viscount Townend, nicht wahr?“, fragte sie mit anklagendem Tonfall. „Versuchen Sie nicht, mich zu täuschen. Ich weiß, dass Sie der Mitgiftjäger sind, der es auf mich abgesehen hat!“
2. KAPITEL
Ich weiß, dass Sie der Mitgiftjäger sind …
Cassie fixierte Peter, derweil er das Magazin langsam beiseitelegte. Er erhob sich und ging auf sie zu. Sie hatte nicht so schroff klingen wollen und bedauerte ihre Wortwahl längst. Seine physische Präsenz beeindruckte sie: Er wirkte stark, gebieterisch und umwerfend männlich. Sie hatte eine ähnliche Selbstsicherheit und Ausstrahlung bereits an anderen Männern wahrgenommen, die sie bewunderte – bei ihren Cousins John, Anthony und Marcus. Aber sie alle hatten sie immer nur wie eine kleine Schwester behandelt, und in erster Linie hatte sie in ihnen Vaterfiguren gesehen. Jetzt entdeckte sie, was es hieß, als Frau im Zentrum der Aufmerksamkeit eines solchen Mannes zu stehen. Ihr wurde ganz schwindelig zumute und sank in die Sofakissen zurück.
„Ja“, sagte Peter, ohne den Blick zu senken. „Ich bin der Mitgiftjäger.“
Cassie schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte nicht erwartet, eine so ehrliche Antwort zu erhalten. Sie hatte gedacht, er würde ihr wie alle anderen Männer, die ihr bislang wegen ihres Reichtums den Hof gemacht hatten, ewige Liebe und Verehrung vortäuschen. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich aufgrund dieser Offenheit besser oder noch einsamer fühlte.
Peter lächelte sie an. Dieses Lächeln ließ seine strengen Gesichtszüge weicher erscheinen und verlieh seinen dunkelblauen Augen einen freundlichen Schimmer. Cassie spürte, dass ihr die Hitze von den Zehenspitzen bis hoch in die errötenden Wangen stieg. Inständig hoffte sie, dass dies auf den Brombeerlikör und nicht auf die Gegenwart des Viscounts zurückzuführen war. Eine bislang unbekannte Aufregung bemächtigte sich ihrer, die ihren Körper mit einem Kribbeln erfüllte und sich im Bauch wie das Flügelschlagen zarter Schmetterlinge anfühlte.
Sie dachte an ihren Sturz vom Baum, als ein plötzliches Gefühl ihr gesagt hatte, dass dies der Mann war, auf den sie dort gewartet hatte. Das Protestbanner hatte ihn nicht abgeschreckt. Als sie siebzehn Jahre alt war, hatte sie ihre damalige Gouvernante Miss Crabe aus reiner Neugier zu einer Versammlung politischer Radikaler begleitet. Auch dies war aus einem spontanen Bauchgefühl heraus geschehen, das sie allerdings schon häufiger in die Irre geleitet hatte.
„Sie geben also zu, ein Mitgiftjäger zu sein“, sprach sie langsam. „Ich dachte, Sie würden es abstreiten, wie das die meisten Männer tun.“
Er setzte sich neben sie auf das Sofa und ergriff ihre rechte Hand. Es erschien ihr überhaupt nicht frech oder unverfroren. Ganz im Gegenteil, es fühlte sich warm und vertraut an und schien in diesem Moment genau das Richtige zu sein. Cassie blinzelte und überlegte, ob der Brombeerlikör ihr Urteilsvermögen außer Kraft setzte.
„Ich würde Sie niemals anlügen, Cassandra“, beteuerte Peter, und ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer, allein wegen der Art, wie er ihren Namen aussprach. „Ich möchte nicht abstreiten, dass ich nach Lyndhurst Chase aufbrach, um eine wohlhabende Braut zu finden, aber …“ Er lächelte wieder, und Cassie stieg das Blut noch ein wenig höher in die Wangen. „Ich bin sehr froh, dass ausgerechnet Sie diese Braut sind.“
Er streichelte zärtlich ihre
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