Historical Saison Band 06
dem letzten Strohhalm. „Könnte Cassie ihn vielleicht verloren haben?“
Doch er brauchte Townends entschiedenes Kopfschütteln schon gar nicht mehr, um zu erkennen, dass er sich an eine vergebliche Hoffnung klammerte. „Das halte ich für ausgeschlossen“, erwiderte Townend. „Sie hat ihn heute Morgen abgelegt, bevor wir ausgeritten sind. Es bietet sich nicht an, den Ring unter den Reithandschuhen zu tragen. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie ihn in ihren Schmuckkasten gelegt hat. Als sie eben danach geguckt hat, war er nicht mehr da.“
„Zum Teufel!“, fluchte Anthony, ohne darauf zu achten, dass es sich um keine sehr vornehme Entgegnung handelte. „Das tut mir leid, alter Junge. Ich werde alle zusammenrufen lassen, und dann müssen wir vermutlich das Personal befragen.“ Er runzelte die Stirn. Er konnte sich kaum vorstellen, dass einer der Bediensteten so etwas tat. Sie wurden alle gut bezahlt und verehrten Cassie ohne Ausnahme.
„Und Sie sind sich sicher, dass meine Cousine den Ring in ihren Schmuckkasten gelegt hat und nicht an einen anderen Ort?“
Townend schüttelte erneut den Kopf. „Ich bin mir ganz sicher. Schauen Sie, Lyndhurst, ich kann ja verstehen, dass Sie zögern, die Justiz einzuschalten, bei der schwierigen Situation, in der Sinclair sich befindet. Aber dieser Ring … nun, es war der Verlobungsring meiner Mutter und …“
„Es ist alles in Ordnung. Sie müssen sich nicht dafür entschuldigen.“ Anthony lächelte gequält. Er wusste nur zu gut, wie Townend sich fühlte. „Ich gehe fest davon aus, dass Marcus dasselbe sagen wird. Wir müssen der Angelegenheit auf den Grund gehen.“ Er fluchte. „Ich werde mich rasch für das Dinner umziehen. Wären Sie bitte so freundlich, Ufton mitzuteilen, dass er in einer halben Stunde alle Bediensteten – und zwar ohne Ausnahme – im Vestibül versammelt?“
Townend nickte. „Ich danke Ihnen, Lyndhurst.“ Seine Mundwinkel zuckten. „Äh … reicht Ihnen eine halbe Stunde, um sich fertig zu machen?“
Trotz seines Ärgers musste Anthony grinsen. „Ich bin doch keiner von diesen eitlen Londoner Stutzern, da ließen sich ganz andere nennen. Eine halbe Stunde wird mir vollkommen genügen. Und Sie können Cassie ausrichten, dass ich ihr eigenhändig den Hintern versohlen werde, falls sie den Ring später doch noch findet!“
„Georgiana! Ist etwas nicht in Ordnung? Was passiert hier eigentlich, um Himmels willen?“, fragte Lady Mardon, die gefolgt von ihrem Gatten das Gesellschaftszimmer betrat.
„N…nein“, erwiderte Georgie. „Was meinen Sie?“
„Das Personal ist in heller Aufregung“, erklärte Lady Mardon und nahm anmutig auf einem Sessel Platz. „Anscheinend hat Anthony die Anweisung erteilt, dass alle sich in zwanzig Minuten im Vestibül versammeln sollen. Tante Harriet hat beinahe einen Anfall bekommen, weil das Dienstmädchen, das ihr hilft, so durcheinander war, dass es einen Parfümflakon zerbrochen hat. Alles hat sich auf dem Teppich verteilt!“ Sie rümpfte die Nase. „In Tante Harriets Zimmer riecht es wie in einem Bordell.“
Der Earl zog eine Augenbraue hoch. „Auch wenn es in Tante Harriets Zimmer zugegebenermaßen ein wenig aufdringlich gerochen hat, stelle ich mir dennoch die Frage, woher diese Kenntnis über Bordelle stammt?“
„Diese Frage kann man sich zwar stellen, man unterlässt es aber besser, wenn man gescheit ist!“, erklärte Lady Mardon.
Der Earl brach in Gelächter aus. „Touché. Der Punkt geht an dich. Bitte erinnere mich daran, deinen diesbezüglichen Wissensstand später zu erweitern.“
Lady Mardon errötete, und Georgie konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Offensichtlich war Lord Mardon weit weniger steif, als seine würdige Erscheinung vermuten ließ.
Der Earl drehte sich um und blickte sie an.
Georgie spürte, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. Oh, Gott! Sie hatte gekichert – über einen Earl und seine Countess gelacht! Und das ausgerechnet bei einem Gespräch, über das sie geflissentlich hätte hinweghören müssen. Würde sie denn niemals erwachsen werden?
„So gefallen Sie mir schon viel besser, meine Liebe“, sagte er mit einem Zwinkern. „An Ihrer Stelle würde ich mich bei allen Göttern dafür bedanken, dass Tante Harriet Sie aus ihrem Ankleidezimmer geworfen hat. Glauben Sie mir, dort wollen Sie heute Nacht auf keinen Fall schlafen!“
„Wer will wo nicht schlafen?“, erkundigte sich Anthony, der gerade hereinkam. Georgie schluckte. Er
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