Historical Saison Band 06
wonach Anthony Lyndhurst nicht nur für Cassandra einen Ehemann finden wollte, sondern zugleich beabsichtigte, seinen Erben zu bestimmen. Der Kreis der Infragekommenden war klein, und Peter schien es, als ob William Lyndhurst-Flint gute Chancen hatte, der Auserwählte zu sein. Allerdings war sich der Mann offenkundig nicht hundertprozentig sicher, als Erbe eingesetzt zu werden, denn sonst hätte er seine Cousine wohl nicht gedrängt, ihn zu heiraten.
Die Tür öffnete sich, und Cassandra trat ein. Noch eine Hand auf dem Knauf hielt sie auf der Schwelle inne. Peter versetzte ihr Anblick einen schmerzhaften Stich. Nach außen wirkte sie gefasst und ruhig, aber er las Besorgnis und Angst aus ihren Augen ab.
Am Tisch wurde Getuschel laut. Peter bemerkte, wie kritisch Lady Margaret ihre Schutzbefohlene musterte. Sie tauschte einen verschwörerischen Blick mit William Lyndhurst-Flint aus und unternahm nichts, um der jungen Frau die Situation zu erleichtern. In diesem Moment wurde Peter bewusst, welchen Stand Cassandra beim Rest der Familie hatte: Mardon und Lyndhurst betrachteten sie mit brüderlich-väterlicher Nachsicht, Lyndhurst-Flint machte sich über sie lustig, und Lady Margaret behandelte sie geradezu boshaft … Peter wurde zornig.
„Cassie!“, sagte Lady Mardon und lächelte freundlich. „Komm und setz dich neben mich. Dann können wir uns über die Pläne für die Bootsfahrt unterhalten.“ Sie wies auf den freien Stuhl zu ihrer Linken.
William Lyndhurst-Flint erhob sich und sagte mit gespielter Liebenswürdigkeit: „Du solltest besser hier Platz nehmen, Cousine, neben deinem künftigen Verlobten.“ Er warf Peter einen unwirschen Blick zu. „Entschuldigen Sie, aber die Verlobung ist noch nicht offiziell, oder etwa doch?“
Peter merkte, dass Cassie errötete, auch wenn er nicht wusste, ob es aus Verärgerung oder Verlegenheit geschah. Sein Zorn wuchs, als ihm klar wurde, wie unverhohlen der andere Mann versuchte, die Verlobung zu vereiteln. Er legte seine Serviette beiseite und stand auf. Er war erheblich größer als Lyndhurst-Flint, und einen Augenblick lang wirkte der ehemalige Schulhoftyrann geradezu eingeschüchtert.
„Erlauben Sie, Miss Ward“, sprach Peter sie mit tadelloser Höflichkeit an. Er zog für sie den Stuhl neben der Countess vor, und sie nahm rasch Platz, wobei sie ihm einen ebenso kurzen wie unergründlichen Blick zuwarf.
„Danke, Mylord“, war alles, was sie erwiderte.
Erneut verebbten die Gespräche am Tisch. Lady Margaret begann, die Countess wegen des seltsamen Benehmens derer Zofe aufzuziehen.
„Diese komische Dent habe ich heute Morgen dabei ertappt, wie sie meinen Türgriff polierte! Ein sehr sonderbares Verhalten für eine höhere Bedienstete!“
Die Stimmung im Morgenzimmer wirkte angespannt, und keiner der Anwesenden schien sich richtig wohl zu fühlen. Peter beobachtete Cassie, die an ihrer heißen Schokolade nippte und eine Scheibe Toastbrot aß. An diesem Morgen war ihr wunderschönes kupferbraunes Haar mit einem Band gezügelt worden, das keine Locke entkommen ließ. Das kirschfarbene Kleid stand ihr ausgezeichnet. Peter, der ein guter Beobachter war, fiel auf, wie abschätzig Lady Margaret das Kleid musterte und wie sie dabei den Mund verzog. Er unterdrückte ein Grinsen. Ganz offenkundig fürchtete die Anstandsdame, von ihrem Schützling ausgestochen zu werden.
Anthony Lyndhurst legte die Zeitung auf den Tisch und erhob sich.
„Ich würde Ihnen heute Morgen gern das Anwesen und das Gestüt zeigen, Townend“, schlug er vor. „Die Damen planen für den Mittag eine kleine Bootsfahrt auf dem See, aber ich denke, wir haben genug Zeit für einen kurzen Ausritt, bevor wir uns dazugesellen. Ich würde Ihnen gern meine Pferde zeigen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie ein echter Kenner sind.“
Peter wollte die Einladung gerade annehmen, aber Cassie kam ihm zuvor. Sie war ebenfalls aufgestanden und sah ihn mit ihren funkelnden goldbraunen Augen an. Entschlossenheit lag in ihrem Blick.
„Ich muss einen vorrangigen Anspruch auf meinen Verlobten geltend machen, Anthony“, sagte sie, wobei sie das Wort „Verlobten“ besonders scharf hervorhob. „Sicherlich willst du nicht direkt mit ihm verschwinden, wo wir einander kaum kennengelernt haben?“ Sie wandte sich an Peter. „Lord Townend, ich würde Sie gern in der Bibliothek sprechen, und zwar jetzt, wenn es Ihnen recht ist.“
„Lord Townend, ich möchte ohne große Umschweife ein paar Dinge klarstellen“,
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