Historical Saison Band 06
sie von grünen und roten Lettern umgeben war. Das Letzte, was sie wahrnahm, war das panische Aufbäumen des Pferdes und die vor ihr aufragenden Hufe, bevor sie hart mit dem Kopf aufschlug und eine unerbittliche Dunkelheit sie umfing.
Peter Townend war daran gewöhnt, dass Frauen sich ihm zu Füßen warfen. Seine unglückliche finanzielle Lage hatte die gelangweilten Damen der ehrbaren Londoner Gesellschaft, die an ihm Gefallen gefunden hatten, nie abgeschreckt. Letztendlich wollten die meisten ihn nicht heiraten, sondern nur ihren Spaß haben. Die eine oder andere junge Dame war natürlich darunter gewesen, die sich in der Vorstellung gefiel, Viscountess zu werden, aber Peter hatte niemals mit dem Gedanken gespielt, um die Hand einer dieser Frauen anzuhalten.
Bei der jungen Dame mit dem Spruchband argwöhnte er allerdings keine Hintergedanken. Als sie vom Baum fiel, schnellte er ohne nachzudenken mit dem Oberkörper nach vorn, und Hector, der erschrak, bäumte sich so heftig auf, dass Peter ihn wie ein Zirkuspferd Pirouetten drehen ließ, um die Gestürzte vor den Hufen zu bewahren.
„Himmel aber auch!“ Peter zerrte an den Zügeln, und die Pferdehufe schlugen nur wenige Zentimeter vom Kopf des Mädchens entfernt im lehmigen Matsch des Weges auf.
Noch während er absprang, beruhigte Peter den Hengst mit ein paar leisen Worten und streichelte ihm über die Nüstern. Dann ließ er sich wie ein verliebter Kavalier neben der leblosen Gestalt auf die Knie fallen.
Sie lag mit dem Kopf zur Seite auf der nassen Erde. Das sonderbare Spruchband hatte sich in ihrer grünen Reitkleidung verfangen. Ihr Hut war zu Boden gefallen, und die nachlässig angebrachten Haarnadeln hatten sich gelöst, sodass ihr das dichte dunkle Haar ins Gesicht fiel. Die durchnässte Reitkleidung umschloss ihre Figur wie eine zweite Haut.
Peter zog seine Handschuhe aus und strich ihr die Strähnen aus der Stirn. Ihre Haare leuchteten in einem seidigen Kupferbraun und wellten sich zwischen seinen Fingern, als ob sie dort hingehörten. Ihre Haut wirkte weich und rosig. Sie konnte nicht viel älter als zwanzig sein, und sie sah überaus attraktiv aus. Er nahm an, dass es sich um niemand anderen als Miss Cassandra Ward handelte, deren Name in dem Ehevertrag vermerkt war, den er in seiner Brieftasche mit sich führte. Es war selbstverständlich denkbar, dass Miss Ward, die radikale ältere Jungfer, vor der sein Vater ihn gewarnt hatte, mit modischen Accessoires über ihre Verkommenheit hinwegtäuschte. Doch auf Peter, der im Hinblick auf das weibliche Geschlecht über allerhand Erfahrung verfügte, wirkte die junge Frau ausgesprochen unschuldig. Er war darüber erstaunt, und ein Gefühl von Ehrfurcht ergriff ihn. Verhängnisvollerweise gesellten sich alsbald auch noch Schuldgefühle wegen seiner Absichten als Mitgiftjäger hinzu.
Cassandra Ward atmete nur flach, aber regelmäßig. Peter schickte ein stilles Dankesgebet gen Himmel. Er zog das revolutionäre Spruchband von ihrem Körper und stopfte es in ein Kaninchenloch am Wegesrand. Behutsam hob er sie in seine Arme. Sie war nicht schwer, aber auch kein schwindsüchtiges Leichtgewicht. Er hoffte, dies war ein Anzeichen für eine robuste Gesundheit. Vorsichtig hob er sie in den Sattel und schwang sich schnell hinter sie, ehe sie hinunterfallen konnte.
Das Dörfchen Lynd lag nur ein paar hundert Meter entfernt, und er wusste nicht genau, wie weit es noch bis Lyndhurst Chase war. Er wickelte sich Hectors Zügel um die Arme und ritt in Richtung Dorf. Cassandra Ward drehte den Kopf und schmiegte sich mit einem wohligen Gemurmel dicht an seine Schulter. Peter sah zu ihr hinunter. Ihre Augen waren geschlossen, und feine Regentropfen verfingen sich in ihren langen Wimpern. Ihr verlockender Mund öffnete sich leicht, als ob sie lächelte. Wovon auch immer sie gerade träumte, es musste in der Tat etwas Angenehmes sein.
Auch seine eigenen Fantasien waren ausgesprochen angenehm, wenngleich in höchstem Maße unanständig. Der leichte Druck, mit dem ihr Körper seinen berührte, ließ sich schwer ignorieren. Ihr Rock war so weit nach oben gerutscht, dass er den Blick auf schlanke Fesseln freigab. Peter neigte den Kopf ein wenig vor, sodass seine Lippen ihre weiche Wange streiften. Er wurde von heftigem Verlangen ergriffen. Ihr Mund wirkte auf ihn so anziehend und wohlgeformt und war dem seinen so nahe. Zwar schien es ihm verboten, eine Dame zu küssen, die mit dem Kopf aufgeschlagen war und benommen in
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