Historical Saison Band 06
Hand und den Gehstock in der anderen. Sie stützte sich schwer darauf ab, aber Amy glaubte keine Sekunde, dass sie ihn wirklich benötigte. Miss Lyndhurst benutzte ihre Requisiten ebenso gut wie eine Schauspielerin. Wenn man ihr zu nahe kam, lief man Gefahr, von ihr mit dem Gehstock angestupst zu werden.
„Sind Sie taub?“ Miss Lyndhurst fuchtelte mit ihrem Hörrohr in Amys Richtung.
Amy machten einen Knicks und beeilte sich, die Kissen auf die Stühle und Bänke zu legen. Sie wusste, dass es keinen Sinn machte, etwas zu entgegnen. Keine Bedienstete würde es wagen, dieser resoluten alten Dame zu widersprechen.
„Nein, so doch nicht!“ Unwillig schob Miss Lyndhurst ihr Kissen beiseite. „Ich komme ja vielleicht in die Jahre, aber sogar ich bin noch nicht derartig zusammengeschrumpft, dass ich an dieser Stelle ein Kissen benötige! Sarah, deine Zofe hat wirklich keine Ahnung.“
Sarah und Lady Townend tauchten gerade in der Kuppel auf und blinzelten mit vorgehaltenen Händen gegen das Sonnenlicht an.
„Du liebe Güte, Tante Harriet, was für ein Eingeständnis deinerseits“, sagte Lady Townend belustigt.
„Von nichts dergleichen kann die Rede sein. Sarah sollte sich lieber endlich eingestehen, dass ihre Auswahl der Bediensteten sehr zu wünschen übrig lässt.“
„Ach, darum geht es.“ Lady Townend machte eine abwinkende Handbewegung. „Dent geht ohnehin in ein paar Wochen wieder. Daher ist es ziemlich unerheblich. Aber dein Eingeständnis ist wirklich bemerkenswert.“
„Wovon redest du, junge Dame?“
„Nun, obwohl du meine Urgroßtante bist, habe ich dich niemals zuvor äußern hören, du wärest in die Jahre gekommen. Fühlst du dich heute nicht gut, Tante Harriet?“
„Urgroß …! Was erdreistest du dich, Cassie. Zu meiner Zeit hätte eine Frau in deinem Alter nicht so geredet. Und du bist auch kein bisschen besser, Sarah. Mir ist nur zu bewusst, dass du Cassie auch noch zu ihrem unmöglichen Verhalten ermutigst. Früher wäre das …“
„Dent, geh besser hinunter in die Küche und hole unseren Lunch. Nimm Ebdon mit und beeilt euch gefälligst“, befahl Sarah mit gespielter Unfreundlichkeit.
Amy knickste und entfernte sich. Eliza Ebdon folgte ihr schweigend. Die beiden Zofen tauschten viel sagende Blicke aus. Miss Lyndhursts kehlige Stimme hallte durch das gesamte Obergeschoss. „In meiner Zeit hätte kein junges Ding gewagt, eine Ältere zu beleidigen, auch junge Dinger nicht, die einen Titel geheiratet haben.“
In der Küche herrschte erhöhte Betriebsamkeit. Das Essen wurde sorgfältig eingepackt, sodass man es nach draußen zur Jagdgesellschaft bringen konnte. Dagegen war die Mahlzeit für die vier Damen in der Kuppel eine unbedeutende Nebensache.
„Vorsicht mit diesem Korb!“, rief der Butler. „Gnade euch Gott, ihr Bürschchen, wenn ihr die Gläser zerbrecht!“
Die beiden Zofen drückten sich gegen die Wand und versuchten, so wenig wie möglich im Weg zu stehen, während zahllose Körbe und Kisten an ihnen vorbeigetragen wurden. Es sah aus, als ob man draußen eine ganze Armee zu bewirten hätte. Die Köchin hatte ein hochrotes Gesicht und stieß fortwährend Warnungen aus, auf die keiner der Bediensteten Acht zu geben schien.
Endlich waren alle verschwunden. In der geräumigen Küche blieben nur noch die Köchin, das Küchenmädchen und die zwei Zofen zurück.
Die Köchin ließ sich erschöpft auf einem Stuhl nieder und fächerte sich mit ihrer Schürze Luft zu. „Das ist mir noch nie passiert“, sagte sie, ohne sich direkt an eine der Anwesenden zu wenden. „Solche Diener sind mir mein Lebtag noch nicht untergekommen. Hier stehe ich und bereite die köstlichsten Speisen für all die Gäste vor, und keiner schenkt meinen Anweisungen auch nur die geringste Beachtung. Aber ich …“
Amy räusperte sich vernehmlich.
„Oh, Sie sind es, Miss Dent.“ Die Köchin drehte sich auf ihrem Stuhl um, machte jedoch keine Anstalten, sich zu erheben. Amy war sich auch nicht sicher, ob die Frau dazu noch in der Lage gewesen wäre.
„Lady Mardon schickt uns, um den Lunch für die kleine Runde in der Kuppel zu holen“, erklärte Amy ruhig.
Die Köchin winkte lediglich müde in Richtung Anrichte. „Da steht schon alles. Zwei Tabletts. Achten Sie bitte darauf, nichts zu verschütten.“
Amy schwieg, aber Eliza Ebdon machte ihrem Unmut Luft. „Ich weiß sehr genau, wie ich Ihrer Ladyschaft das Mittagessen zu servieren habe“, erwiderte sie ungehalten. „Außerdem
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