Historical Saison Band 08
sie, wie gestern Abend, auch noch zum Dinnertanz aufforderte und danach zur Tafel geleitete.
Nur mit ihr hatte er zweimal getanzt. Zweifellos beschwor dieser Tatbestand unsinnige Spekulationen herauf. Warum er sich dazu entschlossen hatte, wusste sie ganz genau – weil er keine falschen Hoffnungen in anderen jungen Damen wecken wollte, in der Gewissheit, dass Beth seine besondere Aufmerksamkeit nicht missverstand.
Wie auch immer, man würde sie von nun an erwartungsvoll beobachten. Sie musste achtgeben, denn es bedurfte nur eines unbesonnenen Blicks oder einer gedankenlosen Geste, und jemand könnte erraten, wie es wirklich in Beth’ törichtem Herzen aussah. Dass sie Sir Philip Stavely schon seit Jahren liebte …
Während sie in ihrem Bett lag, schloss sie die Augen und bekämpfte den Schmerz der unerwiderten Liebe, die sie schon so lange erfolgreich verbarg. Niemals flossen die Tränen, die den Kummer lindern würden. Denn sie weigerte sich, in sinnlosem Selbstmitleid zu versinken. Ihr Entschluss stand fest – sie wollte in Ashworth House leben, in der Nähe des geliebten Mannes, und seine Freundin bleiben. Ganz egal, wann oder wen er heiraten würde!
Beim Dinner hatte er sie gebeten, am nächsten Tag mit ihm auszureiten. „Wenigstens für eine Stunde muss ich den Pflichten eines großzügigen Gastgebers entrinnen.“
Ohne lange zu überlegen, hatte sie zugestimmt. Doch sie tat gut daran, von nun an vernünftiger zu sein. Bis zur Abreise der Gäste würde sie Stavely Court meiden. Keinesfalls durfte sie sich den forschenden Blicken der Verwandten und Freunde aussetzen, die auf Philips Wohl bedacht waren.
Am Vormittag ritt sie mit dem getreuen Rudge nach Stavely Court und traf dort zu ihrer Überraschung Crispin Napier im Stallhof an. Er stand bei zwei gesattelten Pferden und erweckte den Eindruck, als fühle er sich ertappt. Das hinderte Beth indes nicht daran, die Fuchsstute zu bewundern, die neben Philips Lieblingshengst stand.
„Oh, was für ein zauberhaftes Geschöpf!“ Anmutig glitt sie aus dem Sattel, um das Tier zu begutachten.
„Ganz meine Meinung“, stimmte Crispin zu. „Gerade wollte ich zum Pfarrhaus zurückkehren, und da fiel mir der Fuchs auf. Auch Stavelys Brauner ist ein Prachtkerl.“
Wie Beth sich entsann, war der junge Mann auf dem Ball in bester Laune gewesen, vor allem am früheren Abend, während er Phoebes Gesellschaft genossen hatte. Jetzt erschien er ihr bedrückt, obwohl er sich zu einer heiteren Miene zwang.
„Offenbar sind Sie zu Fuß gekommen“, bemerkte sie, nachdem sie vergeblich nach einem Pferd Ausschau gehalten hatte, das seins hätte sein können.
„Ja, der Reverend besitzt einen Einspänner, aber keine Reitpferde. Ich dachte, bei dem schönen Wetter würde Phoebe vielleicht gern einen Spaziergang durch den Park mit mir machen.“ Nun versuchte er nicht mehr, seine Enttäuschung zu verbergen. „Zu meinem Bedauern hat sie andere Pläne.“
Da glaubte Beth zu verstehen, warum Philip sie dabeizuhaben wünschte. Sie sollte als Anstandsdame fungieren, wenn er mit Phoebe ausritt. Keine besonders schmeichelhafte Einladung, dachte sie belustigt.
Voller Mitgefühl wandte sie sich wieder an den jungen Gentleman. „Meine Cousine wird Sie sicher an einem anderen Tag bei einer Promenade begleiten. Lady Barfield erwähnte, dass sie und Phoebe erst am Wochenende nach Surrey zurückfahren.“
„Ja, das stimmt. Also werde ich Phoebe sicher noch einmal treffen. Da sie nicht zu sprechen war, habe ich eine Nachricht hinterlassen.“ Crispin verabschiedete sich und verließ den Stallhof. Er schien es plötzlich eilig zu haben.
Beth betrat das Haus durch einen Seiteneingang. Offensichtlich wurde sie bereits erwartet, denn der Butler teilte ihr mit, dass ihre Tante vor dem Ausritt mit ihr zu sprechen wünsche.
Als Beth ihm die imposante Treppe hinauf folgte, ahnte sie, warum die Tante eine Unterredung anstrebte. Beth’ Benehmen auf der Tanzfläche hatte die älteren Damen keineswegs begeistert. Deren Missbilligung war ihr nicht entgangen. Zweifellos fand auch Lady Barfield das Verhalten ihrer Nichte tadelnswert, obwohl sie ihr keine Vorwürfe gemacht hatte.
Ein Spitzenhäubchen über den silbergrauen Locken, lag Ihre Ladyschaft noch im Bett. Auf dem Nachttisch stand ein Tablett mit den Resten ihres Frühstücks. Vermutlich musste sie sich von den Anstrengungen des Vorabends erholen. Ehe sie Beth begrüßte, wies sie ihre Zofe an, das Tablett zu entfernen und
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