Historical Saison Band 08
nicht überraschte. Streng erzogen, schwiegen alle ihre Cousinen, solange die Mutter redete, und äußerten sich nur, wenn das Wort an sie gerichtet wurde.
Aber irgendetwas an dem Mädchen wirkte seltsam, wie Beth fand. Achtzehn Jahre alt, mit hübschem Gesicht und schlanker Figur, in einer beneidenswerten gesellschaftlichen Position, hätte Phoebe ihrem Schicksal dankbar sein müssen. Nicht dass sie unglücklich aussah. Doch sie erweckte den Eindruck, sie befände sie sich nur deshalb hier, weil ihre Mutter das wünschte, und nicht aus eigenem Antrieb.
„Gestern besuchte mich einer unserer gemeinsamen Freunde, Phoebe“, begann Beth. „Crispin Napier. Aber wie er sich verändert hat! Beinahe hätte ich ihn nicht wiedererkannt.“
Allein schon der Name des jungen Mannes zauberte ein Leuchten in Phoebes Augen.
„Ja, er kündigte an, er würde dir seine Aufwartung machen“, fuhr Beth fort, und Phoebes Lächeln erlosch.
„Ach, der arme Crispin! Ohne seinen Freund fühlt er sich hier nicht wohl, und er will möglichst bald nach Surrey zurückkehren.“
„Meinst du den Sohn des Vikars?“
Phoebe nickte. „Sie sehen sich oft. Jedes Mal, wenn Crispin nach London fährt, wo Mr Chadwick Jura studiert, besucht er ihn.“
Offenbar nimmt Mr Napier an, dass auch sein Freund den Ball besucht, überlegte Beth. Gewiss hat er sich deswegen im Pfarrhaus einquartiert . Aber da der junge Mr Chadwick abwesend war – wieso wohnte Crispin nicht in Stavely Court? Weil er Sir Philips Nähe nicht ertrug?
Mit dieser Frage wollte Beth sich später befassen. „Nun, zweifellos wirst du Mr Napier über seine Enttäuschung hinwegtrösten und ihm Gesellschaft leisten.“
„Leider ist das unmöglich“, seufzte Phoebe. „Mama hat so viele Exkursionen geplant, und Sir Philip versprach sogar, dass er uns zur Kathedrale in Wells begleitet.“
„Dann wirst wenigstens du den Aufenthalt im West Country genießen“, bemerkte Beth wider besseres Wissen. „Sir Philip ist ein versierter, charmanter Gastgeber. Sicher wird er sein Bestes tun, um deiner Mutter und dir abwechslungsreiche Tage zu bieten. Außerdem ist er kein Fremder. Du kennst ihn schon lange.“
„Oh ja.“ Schüchtern betrachtete Phoebe ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. „In London war er – sehr freundlich zu mir. Wenn wir dieselbe gesellschaftliche Veranstaltung besuchten, unterhielt er sich jedes Mal mit mir.“
Aus welchem Grund? überlegte Beth. Prüfend beobachtete sie das Mädchen.
Phoebe war zweifellos eine attraktive junge Dame, und sie besaß ein gewinnendes Wesen. Leider fehlten ihr Eugenies Selbstvertrauen und die besondere Ausstrahlung der älteren Schwester, und sie wirkte immer noch unreif. Um Himmels willen, was mochte Philip in diesem Kind sehen?
Einen Moment später entdeckte sie einen rotblonden Gentleman, den sie jahrelang nicht gesehen hatte. Zielstrebig kam er auf sie zu, und sie beschloss, der Frage später nachzugehen. Zu ihrer angenehmen Überraschung begrüßte Tante Henrietta den Neuankömmling überaus herzlich, obwohl er der Bruder des Mannes war, der den Tod ihrer geliebten ältesten Tochter verursacht hatte.
Höflich bot er Beth seinen Arm. „Miss Ashworth, ich wurde beauftragt, Sie zu einem gewissen Gentleman zu bringen.“
Ohne Zögern folgte sie ihm. Eng mit Philip befreundet, hatte Simon Joyce dieses Haus oft besucht, und sie mochte ihn seit der ersten Begegnung.
„Sie hätte ich überall wiedererkannt, Simon“, erklärte sie und betrachtete seine unzähligen Sommersprossen. „Seit wir uns das letzte Mal auf Stavely Court trafen, haben Sie sich kaum verändert.“
„Von Ihnen kann ich das nicht behaupten, Beth. Minutenlang schaute ich mich im Salon um, und schließlich wandte ich mich Hilfe suchend an unseren gemeinsamen Freund, der mir empfahl, eine Sonnengöttin aufzuspüren.“
Belustigt starrte Beth auf ihr goldgelbes Kleid hinab. „Also wirklich, eine Sonnengöttin! Warten Sie nur, bis ich Philip die Leviten lese! Aber vorher muss ich mich stärken, ich bin halb verdurstet.“
Simon nahm zwei Gläser Champagner vom Tablett eines Lakaien und geleitete Beth zu einer Nische. „Diese Gelegenheit möchte ich für ein paar private Worte nutzen, Beth. Was Sie in jenem Brief über meinen Bruder schrieben, bedeutet uns allen sehr viel, besonders meiner Mutter.“ Simons Gesicht nahm ernste, traurige Züge an. „Allerdings erwähnten Sie nicht, wie viel Sie in seinen letzten Tagen für ihn taten. Das
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