Historical Saison Band 08
Mann, auf den Mr Napiers Beschreibung zutraf. Wie sie sich eingestand, war das nicht besonders vernünftig gewesen. Zuerst hätte sie feststellen sollen, ob es sich um einen Arbeiter handelte. Was sie nun nachzuholen gedachte, doch im Gegensatz zu Philip, der angekündigt hatte, seinen Verwalter zu befragen, wollte sie sich an einen anderen Angestellten wenden – einen, von dem sie viel eher aufschlussreiche Informationen erhalten würde.
„Nein, Rudge, wir besuchen den Pförtner am Osttor.“ Verschmitzt lächelte sie den Diener an. „Mit Mr Dodd werden Sie sich gewiss großartig verstehen, er ist genauso bärbeißig wie Sie.“
Vor dem Pförtnerhaus angekommen, sah sie George Dodd in der Tür stehen, und stieg ab. In knappen Worten erklärte sie ihr Anliegen. Nachdenklich sog der Torwächter an seiner Pfeife, dann schüttelte er den Kopf. „So jemand beschäftigen wir nicht bei uns, Miss Beth. Die Leute, die für den Master arbeiten, tun das seit Jahren. Weil er ein guter Dienstherr ist, und kein Einziger von ihnen würde Seiner Lordschaft was zuleide tun. Dazu mögen ihn alle viel zu sehr.“ Dodd nahm die Pfeife aus dem Mund und kratzte sich die Nase. „So beliebt war sein Vater nicht, der hat einige Pächter und Diener verjagt …“ Abrupt verstummte er und runzelte die Stirn.
„Ist Ihnen etwas eingefallen, Dodd, das uns weiterhelfen könnte?“
„Nun ja, im Frühsommer war der Master mit ein paar Freunden auf der Jagd. Später erzählte mir der Wildhüter, ein oder zwei Schüsse seien danebengegangen. Eine Kugel traf Sir Philips Hut. Damals nahm das niemand besonders ernst, soviel ich mich entsinne. Kein Wunder, weil ein paar junge Nachbarssöhne dabei waren, und die sind miserable Schützen. Aber jetzt … Nachdem das gestern passiert ist, frage ich mich, ob’s damals wirklich ein Versehen war.“
Von diesen Schüssen hörte sie zum ersten Mal, doch Beth erinnerte sich an den Jagdausflug zu Beginn des Sommers, zu dem Crispin Napier eingeladen worden war. Er hatte ihn bei seinem Besuch in Ashworth House erwähnt, Mrs Chadwick ebenfalls … Nein, undenkbar! Sofort verwarf Beth ihren Verdacht. Crispin mochte zu albernen Streichen fähig sein, die jemanden der Lächerlichkeit preisgaben, doch er würde niemals ein Menschenleben gefährden. Trotzdem beschloss sie, Philip zu fragen, was er von jenem Jagdunfall hielt.
Da George Dodd keine weiteren Anhaltspunkte zu liefern wusste, verabschiedete sie sich. Rudge und sie machten sich auf den Heimweg, und sie überdachte, was sie bisher erfahren und – noch wichtiger – was sie nicht herausgefunden hatte. Immer wieder tauchte eine vage Erinnerung auf. Irgendwann nach ihrer Rückkehr ins West Country, dessen war sie ziemlich sicher, hatte sie irgendwo jemanden gesehen, auf den Crispins Beschreibung des Mannes im Wald passte. Doch sie entsann sich nicht, wo … In Markham? Jedenfalls musste sie sich dort noch einmal umschauen.
„Rudge, wenn Sie Mrs Stride heute Abend zum Pfarrhaus gebracht haben, kommen Sie sofort zurück. Wir reiten nach Markham.“
„Wollen Sie nicht auch bei den Chadwicks dinieren?“, fragte der Diener sichtlich erstaunt.
„Nein, ich muss leider absagen, wegen plötzlicher Kopfschmerzen.“ Mit einem mutwilligen Lächeln fügte sie hinzu: „So ein Pech, nicht wahr?“
Misstrauisch starrte Rudge sie an. „Was führen Sie im Schilde, Miss Beth? Normalerweise kriegen Sie kein Kopfweh.“
„Stimmt“, gab sie gezwungenermaßen zu, als sie vom Pferd stieg und ihm die Zügel überließ. „Ich bin kerngesund. Aber das weiß niemand außer uns beiden – und Sir Philip. Also muss ich nur der lieben Mrs Stride einreden, einer meiner seltenen Migräneanfälle hätte mich heimgesucht, und wir können die Stadt noch einmal sorgfältig durchkämmen.“
Sichtlich perplex nahm Rudge seinen Hut ab und kratzte sich am Kopf. „Meinen Sie, das wird was nützen? Heute Vormittag sind wir endlos lange in Markham rumgelaufen. Und was hat’s gebracht?“
„Nichts. Weil wir uns an den falschen Stellen umgesehen haben.“
Er musterte sie skeptisch. „Und was genau sind die richtigen Stellen, wenn ich fragen darf?“
„Nun, das müssten Sie am besten wissen, Rudge. Vielleicht entdecken wir in einer verrufenen Taverne eine heiße Spur.“
„In einer …“ Sekundenlang fehlten dem Diener die Worte. „Wenn Sie sich einbilden, dass ich eine Dame in ein derartiges Etablissement führe, täuschen Sie sich ganz gewaltig, Miss
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