Historical Saison Band 08
Geduld verlor. „Ich fühle mich genauso elend wie Sie – sogar noch schlechter. Glauben Sie mir, ich genieße es wirklich nicht, in dieser bitterkalten Nacht hier herumzuspionieren.“ Stöhnend kratzte sie sich unter ihrer Jacke.
Dann musterte sie voller Unbehagen die Taverne, vor der sie die Pferde zügelten. Die Spelunke lag am Stadtrand und war zweifellos noch übler als die anderen, die sie zuvor aufgesucht hatten. Trotz des schwachen Lichts bemerkte Beth das schadhafte Dach, die rissigen Mauern, den abbröckelnden Putz. Drinnen sah es sicher genauso heruntergekommen aus, aber wenigstens quoll Rauch aus dem Schornstein. Also musste ein Feuer im Herd brennen, das ihre steifen Glieder ein wenig wärmen würde.
„Ob wir Erfolg haben oder nicht – diese Schenke ist die letzte, die wir heute Abend betreten, Rudge“, versprach sie und ließ sich aus dem Sattel gleiten.
Mit ihrer Erklärung heiterte sie den Diener kein bisschen auf. „Aye“, murmelte er, nachdem sie die Pferde in der halb verfallenen Scheune festgebunden hatten. „Aber ist es auch die letzte Taverne, in die Sie sich jemals wagen werden, Miss Beth? Das ist es, was mir Sorgen macht.“
„Ich weiß es noch nicht“, antwortete Beth wahrheitsgemäß, „denn es hängt davon ab, was wir herausfinden. Vielleicht müssen wir demnächst in einige dieser Spelunken zurückkehren.“
„Wenn das der Master erfährt, bringt er mich um“, klagte Rudge. „Und verlassen Sie sich drauf, Miss, er wird es erfahren.“
„Was murmeln Sie da in Ihren Bart?“, fragte Beth erbost. „Nur vor mir müssen Sie sich verantworten, vor sonst niemandem. Und nennen Sie mich nicht Miss Beth! Ich bin Ihr Neffe, erinnern Sie sich?“
Sobald sie den schwach beleuchteten Raum betrat, fand sie ihre schlimmste Ahnung bestätigt. Beißend wehte ihr der Gestank von Schmutz und ungewaschenen Körpern entgegen. Beinahe hätte sie auf dem Absatz kehrt gemacht. Doch da fiel ihr die Gestalt eines Mannes ins Auge, der mit zwei Kumpanen an einem wackeligen Tisch beim Herdfeuer kauerte.
Auf dem Weg zur Theke, wo sie zwei Krüge Ale bestellen wollten, lenkte sie Rudges Aufmerksamkeit auf den Fremden. „Kennen Sie den Kerl? Haben Sie ihn schon einmal gesehen?“
„Nein“, erwiderte der Diener nach einem verstohlenen Blick auf den Gast, der Beth’ Interesse erregt hatte, und runzelte plötzlich die Stirn. „Aber einer der beiden anderen, die bei ihm sitzen, kommt mir bekannt vor. Wenn Sie mir ein bisschen Zeit lassen, fällt mir vielleicht ein, wo er mir schon mal begegnet ist.“
Weil alle Tische besetzt waren, mussten sie sich wohl oder übel an die Wand lehnen, die Krüge in den Händen. Dabei versuchten sie möglichst unauffällig zu wirken. Das gelang ihnen nicht, denn natürlich erregten zwei Fremde das Interesse der anderen Gäste. Eine Zeit lang tuschelten die Leute, dann befassten sie sich wieder mit ihrem Bier.
„Der Kerl, den ich kenne, schaut dauernd herüber“, verkündete Rudge. „Anscheinend kennt er mich auch. Und jetzt starren uns alle drei an. Drehen Sie sich bloß nicht um, Miss! Wenn er der Mann ist, für den ich ihn halte, merkt er womöglich, wer Sie sind. Obwohl Sie wie ein Junge gekleidet sind!“
„Was denken Sie, wer er ist?“ Die Warnung des Dieners beachtend, zog Beth den hässlichen Hut, den sie in einer Truhe auf dem Dachboden gefunden hatte, tiefer in die Stirn.
„So genau weiß ich’s nicht, Miss. Vielleicht war es der Soldat, dem Sie das Bein gerettet haben – bei San Marcial. Oder vielleicht nach der Schlacht bei Vera. Erinnern Sie sich? Dieser junge Doktor – ha, eher ein Schlächter! – wollte das Bein oberhalb des Knies abhacken. Daran haben Sie ihn gehindert. Sie meinten, wenn man die Kugel rausschneidet, könnte man das Bein retten. Und das taten Sie auch. Danach war das Gelenk ziemlich steif. Wenn ich mich recht entsinne, konnte der Mann das Knie nicht beugen. Ein bisschen später wurde er nach Hause geschickt. Offenbar hat er immer noch Probleme, weil er das Bein kerzengerade ausstreckt.“ Rudge runzelte die Stirn. „Wie hieß er doch gleich? Clegg oder so ähnlich.“
„Ja, das stimmt.“ Auch Beth erinnerte sich an jene Ereignisse und riskierte einen kurzen Blick über die Schulter. „Der Gefreite Tom Clegg. Jetzt fällt es mir wieder ein. Vor ein paar Tagen sah ich ihn in Markham. Damals wusste ich nicht, wo er mir schon einmal begegnet war. In Spanien erzählte er mir von seiner Frau und seinem Sohn. Was macht
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