Historical Saison Band 08
mittellos aus dieser Scheidung zu gehen und wieder ganz seiner Gnade ausgeliefert zu sein.
Sie nahm ihren Reisekoffer und wollte gerade den Wagenschlag von innen öffnen, als ihr jemand von außen zuvorkam. Guy stand vor ihr.
„Was machen Sie hier?“
Er ergriff ihre Hand und zog sie aus der Kutsche. „Das ist doch offensichtlich.“
„Ich bat Sie, es zu lassen.“
„Sie sagten mir nur, Sie würden bei Ihrem Vater übernachten. Es war Bella, die mich aufforderte, nicht mitzukommen.“
Sie stolperte auf der unteren Kutschenstufe und wäre hingefallen, wenn er sie nicht aufgefangen hätte. Sie klammerte sich an ihn. Er war ihre Sicherheit und ihre Liebe.
Schließlich machte sie sich los, doch er wich nicht von ihrer Seite und fasste sie stützend am rechten Unterarm.
Obwohl sie wusste, dass es unklug war, war sie froh über seine Gegenwart. Dadurch wurden ihr noch ein paar Minuten mit ihm geschenkt. Bald würden sie auseinandergehen, und sie würde ihn nie wiedersehen.
„Könnt ihr zwei eigentlich nie voneinander lassen?“, erkundigte sich Annabell lakonisch, nachdem sie ohne Hilfe aus der Kutsche gestiegen war.
„Ich gehe mit Ihnen hinein, Felicia“, sagte er sanft, aber bestimmt. „Ich will Ihren Vater kennenlernen.“
„Ihre Begleitung wird alles nur noch schwieriger machen“, wandte sie ein.
„Warum sollte meine Anwesenheit die Lage verschlimmern?“
„Guy!“, rief Annabell ihren Bruder zur Vernunft. „Es reicht.“
„Du hast recht. Wir sollten nicht wieder streiten, schon gar nicht hier.“ Entschlossen trat er auf das Portal zu und klopfte an.
Felicia wartete hinter ihm und spürte, dass sie die Kontrolle über die Situation verlor. Sie fühlte sich wie eine unbeteiligte Zuschauerin und nicht wie die Person, deren Zukunft durch Guys Handlungsweise in Gefahr geriet.
Die Tür wurde geöffnet, und ein hochgewachsener Butler erschien im Türrahmen. „Sie wünschen?“
Mit herablassender Miene ließ der Diener seine Blicke von Guys matschigen Stiefeln über die verschmutzten Breeches zum durchnässten Wintermantel hochwandern. Seine kaum verhohlene Geringschätzung galt jedoch in erster Linie Guys unmodischem Bart.
„Sagen Sie Ihrem Herrn, dass Viscount Chillings ihn sprechen möchte“, forderte Guy ihn ungerührt auf.
Die Augen des Butlers weiteten sich vor Erstaunen. Dann musterte er Felicia und Annabell.
„Und Lady Fenwick-Clyde und Mrs Marbury.“
„Treten Sie ein, Mylord, Myladies.“
Annabell blieb stehen. „Wenn du mit hineingehst, fahre ich besser direkt nach Hause.“ Mitfühlend sah sie Felicia an. „Sicher ist einer von uns als Begleitung mehr als genug.“
Felicia war über diese Entscheidung erleichtert. Sie mochte Annabell sehr und wollte nicht, dass sie Zeugin der Szene werden würde, die nun zu erwarten war. Ihr Vater geriet leicht außer sich und wurde stets sehr laut. Es war schon schlimm genug, dass Guy das miterleben würde.
In dem Bewusstsein, Annabell vermutlich nie wiederzusehen, drehte Felicia sich nochmals um und streckte die rechte Hand nach ihr aus. Annabell kam lächelnd auf sie zu und umarmte sie.
„Es hat mich sehr gefreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, und ich werde Sie vermissen. Passen Sie auf sich auf. Ich wünsche Ihnen viel Glück.“
„Vielen Dank für alles“, erwiderte Felicia. „Ich werde Sie nie vergessen.“
„Ich Sie auch nicht.“
Ohne Annabells Rückkehr zur Kutsche abzuwarten, straffte Felicia die Schultern und ballte die Finger im Muff zu Fäusten. So gerüstet, folgte sie Guy ins Haus. Nun gab es kein Zurück mehr.
Durch die dunklen Holzverkleidungen und die schweren Möbel wirkte das Innere düster und bedrückend. Nichts erinnerte an die Leichtigkeit von Guys Landsitz. Felicia spürte, wie der Mut sie verließ. Was habe ich denn anderes erwartet? Das Landhaus ihres Vaters, in dem sie aufgewachsen war, hatte eine ähnlich bedrohliche Atmosphäre. Ihr Vater war ein ehrgeiziger, aber kein glücklicher Mann.
Sie folgte dem Butler durch den Gang bis in den hinteren Teil des Hauses in ein kleines Zimmer mit winzigem Fenster, durch das man einen schmalen Ausschnitt des Gartens erkennen konnte. Guy nahm ungezwungen auf einem Stuhl Platz, der in der Nähe des unbeheizten Kamins stand. Er trug noch immer seinen Mantel und die Pelzmütze.
Felicia fröstelte und lächelte Guy entschuldigend an. „Mein Vater glaubt an das Sprichwort ‚Spare in der Zeit, so hast du in der Not‘.“
„Auf diese Weise habe ich mein
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