Historical Saison Band 09
nicht vorstellen. Harriet war ihr ans Herz gewachsen. Auch das Wissen darum, wie sehr ihr Fortgehen den Duke kränken würde, machte ihr den Abschied schwer.
„Stilistisch gut“, stellte Mr Murray in diesem Moment fest, „und inhaltlich keineswegs langweilig. Aber mit ein bisschen Klatsch und Tratsch ließe es sich noch viel interessanter machen. Nichts Skandalöses natürlich, nur einige Andeutungen … Wären Sie bereit, ein paar derartige Änderungen vorzunehmen?“
„Würde ich mich damit nicht angreifbar machen? Ich möchte nicht von irgendjemandem der Lüge beschuldigt werden.“
„Keine Sorge, wir können auf die Hilfe von mehreren sehr geschickten Anwälten zurückgreifen.“
Sophie runzelte die Stirn. „Es war nie meine Absicht, diese Art von Buch zu schreiben.“
„Mit dieser Art von Buch kann man das meiste Geld verdienen. Überlegen Sie sich die Sache. Besitzen Sie eine Kopie des Manuskripts? Nein? Schade. Also nehmen Sie Ihr Werk wieder mit, und kommen Sie in zwei Wochen noch mal vorbei.“
Sophie erhob sich und wollte sich verabschieden, als Murray ihr mit einer Handbewegung zu verstehen gab, dass noch etwas geklärt werden müsse.
„Ist der Duke of Belfont über Ihre Pläne informiert?“
„Allerdings.“ Sie dachte an die verschiedenen Auseinandersetzungen, die sie deshalb mit ihm gehabt hatte, aber auch an jene Nacht, in der er sich in ihre Suite geschlichen und vermutlich in ihren Unterlagen geschnüffelt hatte.
„Gut. Dann auf Wiedersehen, Miss Langford.“
Sie war ein wenig deprimiert, als sie sich auf den Heimweg machte. Natürlich hatte sie nicht geglaubt, gleich der erste Verleger würde sie als Genie bezeichnen und ihr einen Vorschuss anbieten. Aber es gefiel ihr gar nicht, dass Mr Murray von ihr verlangte, sie solle das Buch mit Klatsch und Tratsch interessanter machen. Sicher, alle Welt glaubte, sie habe das bereits getan. Und von ihrem Vater hatte sie, wenn er betrunken war, tatsächlich manch schlüpfrige Geschichte gehört. Sie brauchte anscheinend auch nicht zu befürchten, vom Gericht mit einer Strafe belangt zu werden, wenn sie derartige Geheimnisse an die Öffentlichkeit brachte. Trotzdem blieb ein ungutes Gefühl. James hatte angedeutet, sie sei möglicherweise im Besitz gefährlicher Informationen. Durfte sie da überhaupt ein Risiko eingehen?
In ihre Gedanken versunken, hatte Sophie bereits einen Teil des Weges zurückgelegt, als ihr plötzlich auffiel, wie voll die Straßen waren. Morgens war sie außer ein paar Straßenhändlern und Botenjungen kaum jemandem begegnet. Sie hatte die Sonne genossen und bedauert, dass es außer grauen Häusern nur wenig zu sehen gab. Jeder Vogelruf hatte ein Lächeln auf ihr Gesicht gezaubert. Und als sie ein paar gelbe Schmetterlinge entdeckte, die um eine einsame Blume tanzten, hätte sie vor Freude beinahe in die Hände geklatscht.
Nachdem sie während des Gewitters so nass geworden war, hatte sie ein paar Tage lang mit einer schlimmen Erkältung das Bett hüten müssen. Zwar hatte sie Rose gebeten, das Fenster so oft wie möglich weit zu öffnen, dennoch hatte sie das Gefühl gehabt, einen Teil des Frühlings zu verpassen.
Jetzt war keine frühlingshafte Stimmung zu spüren. Die Menschen, die sich in den Straßen drängten, machten einen überaus aufgeregten Eindruck. Ah, sie versuchten, einen vornehmen Wagen anzuhalten! Doch noch hatte der Kutscher die Pferde im Griff. In Schrittgeschwindigkeit zogen sie das Gefährt gehorsam vorwärts.
„Was ist los?“, fragte Sophie die rothaarige Frau, die neben ihr ging.
„Ja, sehen Sie das denn nicht? Dort in der Kutsche fährt der Duke of Wellington!“
Sophies Neugier war geweckt. Sie hatte Wellington nie zu Gesicht bekommen und bemühte sich nun, einen Blick ins Innere der Kutsche zu werfen. Vergeblich. Stattdessen sah sie mit Schrecken, wie ein in Lumpen gekleideter Mann nach dem Geschirr eines der Pferde griff. „Die Leute werden die Tiere scheu machen“, sagte sie, „und dann könnte ein schlimmes Unglück geschehen.“
„Wenn Sie ein solcher Angsthase sind, hätten Sie zu Hause bleiben sollen“, meinte die Rothaarige frech.
Tatsächlich wäre Sophie gern in eine Nebenstraße ausgewichen. Aber es war unmöglich, sich aus dem Menschenknäuel zu lösen. Das Gedränge war jetzt so heftig, dass sie einfach mitgezogen wurde. Nicht weit vor ihr stürzte ein mit Gemüse beladener Leiterwagen um. Möhren, Zwiebeln und Gurken ergossen sich über das Pflaster. Jemand
Weitere Kostenlose Bücher