Historical Saison Band 09
McCallans Stadthaus lässig die Straße entlang. In seiner neuen Kleidung – Pantalons, einem strahlend weißen Leinenhemd, schwarzer Seidenkrawatte, einer schwarzgrau gestreiften Satinweste und schwarzem Gehrock – wirkte er wie der modische Gentleman par excellence. In der Hand trug er eine Reisetasche, die beim Gehen gegen seinen Oberschenkel stieß.
Jamies gepflegtes Zuhause befand sich am Rand von Mayfair, nicht zu weit entfernt, um beim ton als unmodisch zu gelten, und weit genug, dass ein Mann von Jamies offensichtlich guten Einkünften es sich leisten konnte.
Als Quinn die Stufen zur Haustür hinaufstieg und den glänzend polierten Klopfer anhob, bewegte sich der Vorhang im vorderen Erkerfenster – völlig unauffällig, doch Quinn bemerkte es. Offenbar hielt jemand Ausschau.
Esme, zweifellos. Die Frau war wie ein Gefängniswärter. Ganz abgesehen davon, dass sie voller Vorurteile steckte und immer bereit war, das Schlimmste von ihm zu denken, trotz all seiner Bemühungen und trotz der wichtigen Aufträge, die er für ihren geliebten Bruder erledigte.
Da sie ihn also so gering einschätzte, wen wunderte es, dass er versucht war, sie mit den ungeheuerlichsten Bemerkungen zu reizen?
Jamies Butler, ein hochgewachsener, schlanker Mann unbestimmten Alters, öffnete die Tür und nahm ihm Hut und Koffer ab. „Man erwartet Sie im Salon, Sir.“
„Danke.“ Flüchtig warf Quinn einen Blick in den Spiegel, an dem er auf dem Weg zum Salon vorbeikam. In diesem Aufzug sah er tatsächlich aus wie sein Bruder, zumindest war er ihm ähnlich genug, um die List gelingen zu lassen.
Der Salon war genauso sauber und ordentlich wie die Vorhalle und schlicht, aber geschmackvoll eingerichtet, kaum ein Porzellanfigürchen oder sonstiger Schnickschnack nahm hier Platz fort. Quinn fiel auf, dass er noch nie Staub oder gar Schmutz in Jamies Haus oder Büro bemerkt hatte. Wahrscheinlich waren sogar Staub und Schmutz zu eingeschüchtert von Jamies Schwester, um länger zu verweilen. Bücher gab es allerdings in Hülle und Fülle, und die wenigen Möbel waren von guter Qualität. Das Sofa und die Sessel wirkten bequem, und der Kaminsims …
Esme stand am Kamin, aber eine Esme, wie er sie noch nie gesehen oder sich auch nur vorgestellt hatte. Sie hatte den Blick gesenkt, sodass die langen Wimpern ihre rosigen Wangen berührten. Gekleidet war sie in ein eng anliegendes Reisekostüm aus weicher blassblauer Wolle, das ihre schlanke, wohlgeformte Figur besonders zur Geltung brachte. Das Mieder, eingefasst mit einem scharlachroten Band, betonte vollkommene Brüste. Unter einem reizenden, mit kleinen Rosen geschmückten Hütchen schauten schimmernde kastanienbraune Locken hervor, von denen einige ihre Wangen und ihren Nacken berührten.
Esme sah jung, hübsch, frisch und bescheiden aus – ein wahres Bild jugendlicher Weiblichkeit –, bis sie den Blick hob und ihn aus braunen Augen wütend betrachtete.
„Wenigstens haben Sie daran gedacht, sich zu rasieren, wie ich sehe, aber Sie kommen sehr spät“, fuhr sie ihn an.
Lässig kam er herein, entschlossen, sie nicht merken zu lassen, dass ihre Missbilligung ihn störte. „Ich war bei einem Barbier. Meine Wangen sind so weich wie Seide. Möchten Sie mal fühlen?“
„Gewiss nicht!“, rief Esme und wandte sich abrupt ab.
Aber sie errötete, und sie senkte wieder den Blick, als wäre sie versucht gewesen, ihn zu berühren und wagte es nur nicht.
Lieber Himmel, konnte es sein, dass Esme McCallan sich heimlich wünschte, ihn zu berühren? Eine sehr interessante Entwicklung. Er nahm sich vor, sie recht bald näher zu untersuchen. „Sie sehen bezaubernd aus, Esme.“
„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre unerwünschten Bemerkungen für sich behalten könnten!“
„Dann wären Sie die erste Frau, die mir je begegnet ist, die sich nicht über ein Kompliment freut.“
„Wenn ich glaubte, Ihre Bemerkung wäre ehrlich gemeint, könnte ich mich vielleicht geschmeichelt fühlen.“
Trotz ihres verachtungsvollen Tons versuchte er es erneut. „Ich meine es ehrlich. Sie sehen wirklich sehr hübsch aus. Mir war nie bewusst, wie sehr eine neue Kleidung den Menschen verändern kann.“
Sie drehte sich wieder zu ihm um.
Und dann geschah ein Wunder. Sie lächelte. Und es war ein warmes, echtes Lächeln. Sein Herz machte einen Sprung vor Freude, wie er annahm, allerdings war es lange her, seit er so etwas wie Glück empfunden hatte, also konnte er sich auch irren.
„Jamie“,
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