Historical Saison Band 09
widersprach sie ihm kühl. „Dazu müsste ich etwas für Sie empfinden.“
Es war wie ein Schlag ins Gesicht für ihn, aber er würde lieber sterben, bevor er sich anmerken ließ, dass sie oder irgendjemand sonst ihn verletzen konnte.
„Was Sie auch von mir halten mögen, Miss McCallan“, sagte er mit ebenso eisiger Stimme, „Ihr Bruder hat um meine Hilfe gebeten, und er wird sie bekommen. Es würde uns beiden lediglich die Aufgabe erleichtern, wenn Sie aufhören wollten mich anzugreifen, jedes Mal, sobald Sie den Mund aufmachen. Ich rechne zwar nicht damit, dass Sie mich respektieren, aber könnten Sie nicht wenigstens kooperieren? Denn wenn nicht, kehren wir besser sofort nach London zurück.“
„Ich kooperiere mit Ihnen, MacLachlann. Sonst wäre ich nicht hier.“ Sie atmete tief ein und strich ihren Rock glatt. „Allerdings stimme ich zu, dass ständige Feindseligkeit nur schaden könnte. Also lassen Sie uns von vorn beginnen.“
Er verbarg seine Erleichterung, fragte sich aber, was sie damit wohl meinte.
„Wenn ich Ihre Frau sein soll, muss ich mehr über Ihre Familie erfahren. Bisher weiß ich nur, dass Ihr Vater ein Earl und Ihr älterer Bruder der Erbe war. Haben Sie andere Geschwister?“
Von allen möglichen Themen war seine Familie das Letzte, was er diskutieren wollte. Leider hatte Esme recht. Sie musste mehr über seine Familiengeschichte erfahren. „Ich hatte drei Brüder. Marcus war der Zweitälteste, dann kamen Claudius und Julius. Marcus starb im Krieg mit Frankreich, Claudius starb an einem Fieber, während er in Kanada war, und Julius fiel als Junge vom Pferd und brach sich das Genick. Ich hatte auch eine Schwester, aber sie starb als kleines Kind, noch bevor ich geboren wurde.“
Wenn es nicht Esme wäre, die ihm gegenübersaß, hätte er fast annehmen können, dass ihre Miene Mitleid ausdrückte. Da es aber Esme war, bedeutete ihr ernster Blick wohl nur, dass sie versuchte, sich alle Einzelheiten einzuprägen.
„Und Ihr ältester Bruder heißt Augustus?“
„Mein Vater besaß eine bedauerliche Vorliebe für die lateinische Sprache und römische Geschichte.“
„Also nannte er seinen fünften Sohn Quintus.“
„Ja.“
„Ein Name, den Sie von ganzem Herzen verabscheuen.“
„Nicht nur den Namen. Auch für meinen Vater hatte ich nicht viel übrig – ebenso wenig wie er für mich.“
„Das tut mir leid.“
Sie klang tatsächlich aufrichtig.
„Das braucht es nicht“, sagte er abrupt. Wenn es etwas gab, das er nicht ertragen konnte, dann Mitleid – am wenigsten von Esme McCallan. Seine Familie fehlte ihm nicht. Er war immer ganz anders gewesen – zu temperamentvoll, zu lebendig, um in ihrer bedächtigen Welt, in der sie sich die Zeit mit Geschichten vom größten Fisch, dem fettesten Fasan und dem edelsten Hirsch vertrieben, wohlzufühlen. Ihn hatte es nach etwas anderem verlangt – nach dem Leben in der Stadt, nach einem lebendigen, bunten, aufregenden Leben. Teuer. Sinnlich. Verführerisch. „Ich fand reichliche Entschädigung, als ich älter wurde.“
„Bei Frauen, vermute ich.“
Er bezweifelte, dass Esme jemals verstehen würde, warum ein Mann in den Armen einer Frau Trost suchte, selbst wenn es nur einen flüchtigen Moment des Vergnügens und Vergessens bot.
Er konnte sich Esme nicht einmal nackt in den Armen eines Mannes vorstellen, wie sie ihn küsste, ihn streichelte und ihn liebte – seufzend und Koseworte flüsternd, sich unter ihm vor Lust windend, bis sie im Augenblick der Ekstase seinen Namen rief.
Aber das stimmte nicht. Er konnte es sich leider sehr lebhaft vorstellen. Eine bestürzende Entdeckung.
„Wie alt ist Augustus?“, fragte sie und riss ihn damit aus seinen Gedanken.
„Vierzig.“
„Sie sind also …“
„Dreißig.“
Sie nickte nachdenklich, und er stellte fest, dass sie es nicht für unmöglich zu halten schien, wenn er versuchte, sich für einen zehn Jahre älteren Mann auszugeben.
„Seine Frau ist siebenundzwanzig. Zum Glück könnte man Sie leicht für so alt halten.“
Sie schien sich nicht über seine Worte zu ärgern. Allerdings sollte ihn das wohl auch nicht überraschen. Noch nie war ihm eine Frau begegnet, die weniger eitel war als Esme. „Sie war siebzehn, als sie heirateten“, fügte er hinzu. „Augustus hatten schon immer besonders junge Frauen gefallen.“
Auch das erstaunte Esme offenbar nicht. „Sie haben keine Kinder?“
„Noch nicht, aber wie ich Augustus kenne, nicht, weil er sich keine
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