Historical Saison Band 12
Bett liegen, treiben sie sich jetzt bei Gentleman Jackson’s oder Tattersalls herum.“
„Außerdem kann ich dir zu meinem Bedauern heute nicht zur Verfügung stehen, Alexandra“, sagte Richard. „Ich muss noch einen weiteren Besuch machen.“
„Aber du hast es mir versprochen“, entgegnete Lexi hitzig.
Richard ergriff ihre Hände und hob sie zu seinen Lippen. Seine Stimme klang sanft und beschwichtigend, doch in seinen grauen Augen entdeckte sie keinerlei Wärme. „Und ich werde mein Versprechen halten. Aber Lady Wroxford hat recht. Bevor wir uns in Gesellschaft begeben, brauchst du eine neue Garderobe. Ich möchte nicht, dass man annimmt, ich verfüge nicht über genügend Vermögen, dich auszustatten. Begleite deine Patin heute, während ich meinen Bekannten aus dem Kriegsministerium besuche. Ich versichere dir, du würdest dich ohnehin nur langweilen, wenn du mit mir kommst. Bei einem Einkaufsbummel mit Lady Wroxford wirst du dich sicherlich mehr amüsieren.“
Richard entschuldigte sich kurz darauf und verließ das Haus. Widerstrebend verbannte Lexi ihn daraufhin aus ihren Gedanken und beugte sich dem Willen ihrer Patin. Die beiden verbrachten einen angenehmen Tag bei der Schneiderin und Hutmacherin und stöberten durch luxuriöse Geschäfte, deren große Auswahl an elegantem Putz selbst noch so wählerische Frauenherzen erfreuen konnte.
Richard reiste in der Zwischenzeit nach Dulwich, wo er von einem Dienstboten in abgetragener Livree empfangen wurde. Er gab ihm seine Karte und verlangte, mit Henry Seymour zu sprechen. Während er darauf wartete, empfangen zu werden, sah Richard sich um. In der Eingangshalle gab es keine Möbel, und verschiedene hellere Stellen an den dunkelgrünen Wänden verrieten, dass hier früher einmal Bilder gehangen hatten, die inzwischen vermutlich verkauft worden waren.
Schließlich kam der Lakai zurück und führte Richard durch mehrere schäbig möblierte Zimmer zu einem Arbeitszimmer im hinteren Bereich des Gebäudes.
Henry Seymour saß in einem Sessel vor dem Kamin. Früher hatte er stets wohlhabend und elegant gewirkt. Jetzt war er nur mehr ein Schatten seines früheren Selbst, schlecht rasiert, mit fahlen Wangen, tief umschatteten Augen und ungekämmtem Haar. Unerwartet stieg Mitleid in Richard auf.
Seymour erhob sich nicht, um ihn zu begrüßen. „Was zum Teufel wollen Sie, Deverell? Mir eine Moralpredigt halten, weil ich einen solch miesen Charakter habe? Oder hat man Ihnen etwa nicht von meinen Schandtaten berichtet?“
„Ich möchte niemandem eine Moralpredigt halten. Ich möchte Informationen.“
„Setzen Sie sich. Wollen Sie einen Drink?“ Seymour deutete zu der Brandykaraffe, die auf dem Tisch neben seinem Stuhl stand.
„Danke.“
„Es überrascht mich, dass Sie mit einem Verräter trinken wollen.“
„Wir sind einst gute Freunde gewesen“, erwiderte Richard gelassen. Seymour wandte den Blick wieder zum Feuer. „Warum haben Sie es getan?“
„Was zum Teufel geht Sie das an? Sie werden das ohnehin nicht verstehen.“ Nach einer Pause fügte er indes hinzu: „Geld, Deverell. Ich brauchte Geld, um meine Spielschulden zu bezahlen. Nicht jeder hat Ihr unermessliches Glück. Am Ende war das hier …“, er machte eine ausholende Geste, die Haus und Anwesen umfassen sollte, „… alles, was mir geblieben ist. Aber ich habe falsch gehandelt. Das weiß ich. Und ich schwöre, ich war stets darauf bedacht, dem Feind niemals wirklich nützliche Informationen in die Hände zu spielen.“
„Woher konnten Sie das denn wissen?“
Nach langem Schweigen meinte Seymour: „Da haben Sie recht, das konnte ich nicht. Aber als man von mir verlangte, etwas zu bringen, von dem ich wusste, dass es von immenser Bedeutung war, habe ich mich geweigert. Das war auch der Moment, in dem mir klar wurde, dass es so nicht weitergehen kann.“
„Sie haben also abgelehnt. Was hat man denn gewollt?“
„Das wissen Sie doch sicherlich. Die Pläne der Stützpunkte der Alliierten, die sich in Ihrer und Johnny Rawdons Obhut befanden.“
Richard verengte die Augen. „Woher zum Teufel wussten Sie davon?“
Seymour bedachte seinen Besucher mit einem mitfühlenden Blick. „Jetzt machen Sie aber halblang, Deverell. Vielleicht waren Sie das Inbild der Diskretion, aber Johnny Rawdon hat allen und jedem vertraut, besonders wenn er dem Alkohol zugesprochen hatte. Ich weiß nicht, wie mein französischer Kontaktmann Wind davon bekommen hat. Ich habe es ihm gewiss nicht verraten.
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