Historical Saison Band 12
habe.“
„Die Gefahr?“, fragte er spöttisch. „Meinst du, das spielt für mich eine Rolle?“ Er ging vor ihr in die Hocke und nahm ihr Gesicht zwischen die Hände. „Als wir miteinander geschlafen haben, Marlena, hättest du mir sagen müssen, dass mir dein Gatte darin zuvorgekommen ist. Wer war er? Darf ich das wenigstens erfahren?“
Sie löste sich aus seinem Griff. „Nein.“
Er richtete sich wieder auf, sodass sein Gesicht im Dunkeln lag. „Nein?“
„Ich werde es dir nicht erzählen. Dass du nichts Genaues über mich weißt, liefert vielleicht einen gewissen Schutz. Dann kannst du Rapp sagen, ich hätte dich belogen – was ich getan habe – und dass du keine Ahnung hattest, wem du geholfen hast.“
Er starrte sie an. „Merkst du nicht, dass ich nicht von Rapp spreche, sondern von dir und mir und davon, was mir zwischen uns ehrlich vorgekommen ist?“
Sie zog die Beine an und legte die Hände um die Knie. Ihn so zu verletzen schmerzte wie tausend Messerstiche.
Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir sind nicht mehr weit von Edinburgh entfernt. Es sind noch höchstens drei Tage. Ich werde dich dorthin bringen, und das wird das Ende von allem sein.“
Er irrte sich. Das Ende war bereits gekommen.
„Es wird heute Nacht kalt werden“, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. „Zieh dir so viel wie möglich an.“
Er verschwand in der Dunkelheit. Marlena befühlte den Ring, den er ihr gegeben hatte, bevor sie seinem Rat folgte.
Als er zum Lagerfeuer zurückkehrte, stellte Marlena sich schlafend. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie er sich hin und her wälzte, um eine bequeme Lage zu finden. Schließlich schlief er ein.
Marlena betrachtete sein Gesicht, bis das Feuer zu Asche verglühte und die Dämmerung einsetzte. Dann stand sie ganz vorsichtig auf. Leise packte sie das Nötigste zusammen und warf ihm einen letzten Blick zu. Tonlos formten ihre Lippen die Worte „Auf Wiedersehen.“ Sie zwang sich, sich abzuwenden, und trug eine Tasche zu Dulcea.
Zur Begrüßung wieherte die Stute.
„Pst“, flüsterte Marlena.
Sie befestigte die Tasche und schnallte den Sattel fest. Dann führte sie Dulcea zu Fuß fort. Erst als sie in einiger Entfernung war, saß sie auf. Sie folgte dem Flusslauf, der sie nordwärts führte.
Als die Sonne aufgegangen war und der Nebel sich lichtete, hielt sie an, um dem Tier eine Pause zu gönnen.
Das Land, das sie umgab, glich der Hügellandschaft ihrer Kindheit. Auch die frische Luft vermittelte das Gefühl von Heimat. Was hätte sie nicht dafür gegeben, Parronley noch ein Mal zu erblicken, die vertrauten Gesichter wiederzusehen und sich zu Hause zu fühlen. Vermutlich würde sie dort niemand mehr wiedererkennen. Dreizehn Jahre waren seither vergangen.
Marlena sah zurück in die Richtung, in der sie Tanner zurückgelassen hatte. Vielleicht ist er so zornig über mein Verschwinden, dass er sich sofort gen Süden wendet und wieder sein sicheres Leben als Marquess of Tannerton aufnimmt.
Sie schwang sich in den Sattel und setzte den Weg am Fluss entlang fort. Der Esk fließt nicht weit von Parronley entfernt, erinnerte sie sich. Sie musste nur dem Fluss folgen und sich dann irgendwann östlich halten, um Edinburgh zu erreichen.
Unaufhörlich musste sie an Tanner denken. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie sehr er sie verachtete – nicht nur, weil sie ihn belogen, sondern auch, weil sie sich davongeschlichen hatte.
Als die Sonne hoch am Himmel stand, erreichte sie eine Hügelkuppe und sah, dass der Fluss durch ein Dorf führte. Inmitten der Ortschaft teilte er sich. Ihr blieb nichts anderes übrig, als hinunterzureiten und die Brücke zu überqueren.
Schon von Weitem fiel ihr auf, dass in dem kleinen Marktflecken viel Betrieb herrschte. Vielleicht schützte die Menschenmenge sie davor aufzufallen.
Kaum hatte sie die Dorfstraße erreicht, war sie von anderen Reitern, Kutschen und Fußgängern umgeben. Auf einem Schild las sie den Ortsnamen Langholm. Die verputzten Steinhäuser erinnerten sie an Parronley, ebenso wie die Hügel, die den Ort wie ein Gemälderahmen umgaben.
Als sie die Brücke erreichte, atmete sie erleichtert auf. Sie überquerte den Fluss und hielt bereits nach einer Stelle Ausschau, an der sie die Straße wieder verlassen konnte.
Plötzlich näherte sich hinter ihr ein Pferd. Als die Nase des Pferdes mit Dulceas Schultern gleichauf war, sah Marlena, dass ein Männerarm nach ihr griff.
Sie trieb die Stute zum Galopp an
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