Historical Saison Band 12
Passgang ritten sie weiter und hielten schließlich an einem kristallklaren Bach, um den Pferden und sich eine Pause zu gönnen. Am späten Nachmittag erreichten sie ein kleines Dorf in der Nähe der schottischen Grenze.
Tanner hielt sein Pferd an und schaute die Dorfstraße hinunter. „Wenn es hier ein halbwegs anständiges Gasthaus gibt, würde ich vorschlagen, dass wir über Nacht bleiben.“
„Immerhin sieht es groß genug aus, um ein Gasthaus zu haben“, bemerkte Marlena.
Die Häuser waren weiß verputzt und reihten sich ordentlich an der Hauptstraße entlang. Am Ortsausgang stand eine alte Steinkirche. Dünne Rauchfahnen stiegen von den Kaminen auf.
Tanner drehte sich zu ihr. „Wer sind wir eigentlich heute?“
Sie lachte. „Mr und Mrs Antony.“
„Antony“, wiederholte er. „Ich hatte mir in Dutwood schon abgewöhnt, ein anderer zu sein.“
Sie erreichten das Gasthaus, das klein, aber gemütlich schien. Tanner saß ab und half Marlena vom Sattel. Im Inneren sprachen sie mit dem Wirt und sicherten sich ein Zimmer.
„Möchten Sie gern etwas essen?“, erkundigte sich der Gastwirt. „Heute gibt es bei uns Hammeleintopf.“
„Hervorragend“, erwiderte Tanner. „Ich will nur noch nach den Pferden sehen. Kann meine Frau hier irgendwo ungestört sitzen, bis ich wiederkomme?“
„Es gibt ein Privatzimmer hinter der Schankstube. Dort kann sie gern auf Sie warten.“
„Vielen Dank“, sagte Marlena. „Wäre es vielleicht möglich, einen Tee zu bekommen?“
„Natürlich, Madam.“ Der Wirt führte sie durch die Schankstube, und Tanner ging hinaus.
Er nahm das Gepäck von den Sätteln und stellte es in den Eingangsbereich. Dann führte er die Pferde zu den Ställen. Schon von der Stalltür aus konnte er sehen, dass der Dorfschmied sich gerade mit einem Mann unterhielt.
„Ich suche nach jemandem“, hörte Tanner den Mann zum Schmied sagen. „Einen Mann und eine Frau.“
Tanner hielt inne.
„Sie sind auf Pferden unterwegs. Sind sie hier vorbeigekommen?“
„Nicht bei mir, aber Sie können ja mal im Gasthaus fragen“, antwortete der Schmied. „Wie heißen denn die beiden, falls sie noch hier auftauchen?“
Der Mann räusperte sich. „Das ist eben der Punkt. Sie reisen nicht unter ihren richtigen Namen. Die Frau ist eine geflohene Verbrecherin, und es ist eine Belohnung auf ihren Kopf ausgesetzt. Wenn Sie mir helfen …“
Tanner brauchte nicht mehr zu hören. Er drehte die Pferde um, die protestierend wieherten, weil sie nicht den erwarteten Sack Hafer bekamen. Eilig zog er sie zum Gasthaus zurück und lief hinein. Auf dem Gang begegnete er dem Wirt.
„Wo ist meine Frau?“, fragte Tanner.
„Da entlang.“ Er führte Tanner in den kleinen Privatsalon.
„Wir reiten sofort weiter.“ Er warf einige Münzen auf den Tisch.
Erschrocken folgte Marlena ihm zu den Pferden, und hastig befestigten sie das Gepäck.
Sie saßen schon wieder in den Sätteln, als jemand hinter ihnen laut rief: „Da sind sie! Haltet sie auf!“
Sie galoppierten davon, zu schnell, um eingeholt zu werden. Als die Straße zu weit vom nördlichen Kurs abwich, ritten sie querfeldein. Sie holten das Äußerste aus den Tieren heraus. Die Sonne stand schon ganz tief, und das Laub schimmerte im rötlichen Abendlicht. Bald würden sie anhalten müssen.
„Wir rasten am Fluss!“, rief er Marlena zu.
Sie ritten einen Hügel hinunter und folgten dem Flusslauf, bis Tanner eine Stelle gefunden hatte, an der die Pferde gut ans Wasser konnten.
Während die Pferde tranken, holte Tanner das Buch mit den Wegkarten und den Rucksack mit den verbliebenen belegten Broten und führte Marlena unter einen Baum, wo es etwas windgeschützter war.
„Iss etwas“, forderte er sie auf.
Sie nickte und nahm sich ein Brot. „Sind wir jetzt in Schottland?“
„Ich glaube ja.“ Er öffnete das Buch mit den Karten und strengte sich an, in der Abenddämmerung etwas zu erkennen. „Das muss der Fluss Esk sein. Ich denke, ich weiß ungefähr, wo wir sind.“ Er schloss das Buch. „Ich kümmere mich jetzt besser um die Pferde.“
Tanner führte die Tiere zum Wiesenrand, wo sie unverzüglich zu grasen begannen.
Marlena half ihm, die Tiere trocken zu reiben. Sie warf ihm einen vorsichtigen Blick zu.
Seit der Flucht aus dem Dorf hatten sie kaum miteinander gesprochen, doch sie spürte, dass ihm tausend Fragen im Kopf herumschwirrten. Fragen, die er bisher unterdrückt hatte, weil es ihm wichtiger gewesen war, sie in Sicherheit zu
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