Historical Saison Band 12
fiel mir das Warten noch schwerer. Wenn du wüsstest, wie oft mich deine Frage an diesem Zaunübertritt in Gedanken verfolgt hat, wie sehr ich mich bemüht habe, diesen Tag zu vergessen. Doch es ist mir nie gelungen. Und jetzt … Wenn du mich noch einmal fragen würdest, ob ich dich küssen möchte, dann würde ich dir eine ehrliche Antwort geben.“ Tief schaute er ihr in die Augen. „Frag mich noch einmal, Alexandra.“
„Möchtest du … möchtest du mich küssen, Richard?“
Er lächelte, und dann verschmolzen seine Lippen mit den ihren, erst vorsichtig, als wäre sie ein unendlich kostbarer Schatz, doch als sie seinen Kuss erwiderte, nahm er ihr Gesicht in beide Hände und glitt mit den Lippen über ihre Augen, ihr Kinn, die kleine Kuhle an ihrem Hals, bis er den Puls fand, der dort wild schlug. Voller Glut zog er sie in seine Arme, und sein Kuss wurde fordernder. Eng schmiegte er sich an sie, hüllte sie in seine Umarmung und hielt sie so fest umschlungen, dass sie glaubte, jeden Knochen und Muskel seines Körpers zu spüren. Vor Verlangen presste sie sich an ihn, doch sie fühlte keinerlei Scham. Hier wollte sie sein, in seinen Armen, darauf hatte sie ihr Leben lang gewartet. Sie wollte Teil von ihm sein, ohne ihn war sie nichts …
Nach einer Weile holte er tief Luft und löste sich von ihr. „Ich denke, das reicht für den Augenblick“, sagte er atemlos. „Lieber Gott, Alexandra. Du hast solch große Macht über mich. Niemand kann mich die Welt und alles andere vergessen lassen so wie du.“
„Richard?“, flüsterte sie, sich ihres bittenden Tons gar nicht bewusst.
„Nein, wir dürfen nicht weiter gehen“, sagte er rau. „Du bist sehr begehrenswert, aber wir dürfen nicht weiter gehen. Das weißt du doch, nicht wahr?“
Ohne ein Wort wandte sie den Blick ab und nickte. Er nahm ihre Hände in die seinen und küsste sie sanft. „Wir müssen nur ein wenig länger warten, mein Liebling. Nur bis die Sache mit dem Franzosen erledigt ist, dann endlich können wir über unsere gemeinsame Zukunft reden …“
Lexi wälzte sich unruhig im Bett. Warum konnte sie Richards Worte nicht vergessen? Sie waren so zärtlich, so voller Verheißung gewesen. Ein kläglicher Schluchzer entwich ihrer Kehle. Lady Honorias Zofe Murdie, die an ihrem Bett wachte, war sofort an ihrer Seite und hielt ihr ein Glas an die Lippen. Es schmeckte bitter, und nach wenigen Minuten fiel Lexi dankbar erneut in den Schlaf des Vergessens.
4. KAPITEL
A ls Richard am nächsten Tag Lexis Zimmer betrat, saß Murdie an ihrem Bett. „Ich dachte, meine Tante wollte meiner Gemahlin Gesellschaft leisten“, sagte er.
„Ihre Ladyschaft ist auf ihr Zimmer gegangen, Mylord. Da Lady Deverell eingeschlafen ist, hat sie beschlossen, auch ein wenig zu ruhen.“
„Ah, gut. Nun, Sie können auch gehen, Murdie. Ich werde bei meiner Gattin bleiben.“
Murdie knickste und verließ das Zimmer.
Nachdem er einen Blick auf seine schlafende Frau geworfen hatte, zog Richard sich den Ohrensessel ans Bett und wartete. Er fühlte sich erschöpft. Sein sorgfältig geschmiedeter Plan war schiefgelaufen, und wenn er jetzt noch etwas retten wollte, musste er schnellstens mit Alexandra reden. Dr Loudon hatte ihm versichert, dass sie stark genug sei, aufzustehen, und er hatte beschlossen, ihr Gespräch nicht länger hinauszuschieben.
Allerdings hatte er immer noch nicht die leiseste Ahnung, was er ihr sagen sollte …
Er ließ den Blick über Alexandras Gesicht schweifen. Warum hatte sie sich so unerwartet gegen ihn gestellt? Erst vor fünf Wochen hatte er um ihre Hand angehalten, und sie schien überglücklich zu sein. Doch wenige Tage vor der Hochzeit hatte sich ihr Verhalten ihm gegenüber plötzlich gewandelt. Natürlich hatte er versucht, den Grund dafür herauszufinden, aber bloß ausweichende Antworten von ihr erhalten. Seine Tante Honoria schob ihr Gebaren auf die Aufregung vor der Trauung, eine Erklärung, die ihm damals plausibel vorgekommen war. Nicht einmal in seinen schlimmsten Albträumen hätte er sich ausmalen können, dass Alexandra plante, ihn in der Sakristei mit einer Waffe zu bedrohen.
Hätte sie ihn wirklich erschossen? Er konnte es nicht mit Sicherheit ausschließen, weshalb er auch versucht hatte, Zeit durch dieses wahnwitzige Versprechen zu gewinnen. Sechs Monate blieben ihm, um ihre Anschuldigungen zu widerlegen. Wie sollte ihm das bloß gelingen? Ihr einfach die Wahrheit zu sagen schied aus, denn damit wären die ganzen
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