Historical Saison Band 15
nicht müde, Archie zu bewundern. Mochte ihm der Junge auch aus dem Gesicht geschnitten sein, er hatte sehr viele Züge seiner Mutter. Wie er den Kopf schief legte, wenn er zuhörte, oder an seinen Lippen knabberte, wenn er sich unsicher fühlte – das alles entzückte Dominic.
Längst hatte er seinen Gehrock ausgezogen, die Weste aufgeknöpft und das Krawattentuch gelockert, um ungehindert mit seinem Sohn umherzutollen.
Archie zog seine Schuhe aus und demonstrierte voller Stolz, wie gut er auf Strümpfen über den Boden rutschen konnte. Wie Dominic sich entsann, hatte er das als kleiner Junge in Shardeloes Hall sehr oft getan. Aber jetzt weigerte er sich, dem Beispiel seines Sohnes zu folgen, der ihm das eifrig vorschlug.
Leicht ermattet sank er in einen Sessel.
„Jetzt müssten Sie es einsehen, Sir“, meinte Mrs Tatton. „Von Anfang an hätte meine Tochter Ihnen die Wahrheit über das Kind sagen sollen.“
„Mama!“, wisperte Arabella erschrocken.
„Zweifellos wäre das vernünftiger gewesen, meine Liebe“, entschied ihre Mutter. „Und Sie, Sir, hätten mein Mädchen viel besser behandeln sollen.“
„Da gebe ich Ihnen völlig recht, Madam“, antwortete Dominic. „Und ich bin heute hierhergekommen, um alles in Ordnung zu bringen.“
Erstaunt hob Mrs Tatton die Brauen und wechselte einen kurzen Blick mit Arabella. Beide Frauen starrten ihn erwartungsvoll an.
Das Thema wurde vorerst nicht weiter erörtert. Aber Dominic blieb zum Dinner in der Curzon Street, und danach gab er Archie einen Gutenachtkuss.
Später ging Arabella mit Dominic in den Salon, und ihre Nervosität wuchs. Unentwegt glättete sie ihre Röcke, während sie auf der Sofakante saß.
„Ist deine Besprechung mit Lord Misbourne gestern Abend zufriedenstellend verlaufen?“, fragte sie schließlich.
„Einigermaßen.“ Dominic stand neben dem Kamin, in dem wegen des milden Frühlingsabends kein Feuer brannte.
Danach entstand ein Schweigen, das sie ziemlich unangenehm fand und schon nach wenigen Sekunden brach. „Möchtest du noch etwas Tee?“
„Nein, danke, Arabella.“ Prüfend schaute er sie an. „Was ich gestern über unsere Heirat sagte, meinte ich ernst.“
„Ach, Dominic …“, seufzte sie. Das war ein sehr heikles Thema. „Wie kannst du mich heiraten? Nach allem, was geschehen ist?“
„Warum nicht?“ Obwohl er sich gelassen gab, verriet ihr ein zuckender Muskel in seinem Kinn eine innere Unrast.
„Um Himmels willen, ich bin deine Geliebte!“
„Hat denn noch kein Mann seine Geliebte geheiratet? Außerdem werde ich dich wohl kaum als meine Kurtisane in die Gesellschaft einführen.“
„Zu viele Leute wissen über Miss Noir und ihre Verbindung zu Mrs Silver Bescheid.“
„Vielleicht. Aber niemand bringt Miss Noir mit Mrs Marlbrook in Verbindung. Und sei versichert, dass ich alle nötigen Maßnahmen ergreifen werde, um das zu verhindern und dir eine untadelige Vergangenheit zu verschaffen. Oder bist du etwa nicht die respektable verwitwete Mrs Marlbrook, die vor Kurzem nach London übersiedelte? Alle werden an eine Liebesheirat glauben.“
Damals wäre es eine Liebesheirat gewesen. Und jetzt? Unsicher schaute Arabella in Dominics Augen.
„Um Archies willen müssen wir es tun“, fügte er eindringlich hinzu. „Ich bin meinem Sohn gegenüber verpflichtet. Auch dir, denn ich muss das Unrecht wiedergutmachen, das dir widerfuhr.“
Will er nur eine Pflicht erfüllen? fragte sich Arabella. Ihre Hoffnung, so neu und nur zaghaft geschöpft, wurde abrupt begraben. Von Zuneigung – oder gar Liebe war keine Rede.
„Also hast du beschlossen, deine Pflicht zu tun und dich von deiner Schuld reinzuwaschen.“ Wie dumm von mir, etwas anderes zu glauben …
„Von meiner Schuld? Du hast mir Archies Existenz verheimlicht!“
Von seinen Worten mitten ins Herz getroffen, hielt sie den Atem an. „Welche Wahl hatte ich denn? Ich tat, was nach meiner Ansicht das Beste für meinen Sohn war.“
„Aber er ist auch mein Sohn. Bin ich nicht berechtigt, meinerseits das Beste für ihn zu tun? Willst du mir das weiterhin absprechen?“
Um zu verbergen, wie tief er sie kränkte, wandte sie den Kopf ab. „Weil er dir so ähnlich sieht, werden alle Leute erraten, dass er dein Sohn ist, und er wird ihren Klatschgeschichten ausgeliefert.“
„Was die Leute denken, ist mir egal. Natürlich werden sie Verdacht schöpfen und tuscheln. Aber ich übe einen gewissen Einfluss aus und bin durchaus fähig, die Gerüchte zu
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