Historical Saison Band 16 (German Edition)
Auflösung einer Verlobung ein geringer Preis für sein Leben war.
14. KAPITEL
E rzähl mir alles. Was hat der Arzt gesagt?“ Beldon war wach und aus nachvollziehbaren Gründen gereizt.
„Du solltest schlafen“, entgegnete Lilya lächelnd. Als sie aus dem Raum geschlüpft war, um mit dem Arzt zu sprechen, hatte sie gehofft, er würde sich nun erst einmal ausruhen. Sie ging zum Sofa, kniete sich neben ihn und strich ihm das Haar aus der Stirn. „Du bist jetzt in Sicherheit. Du brauchst also weder tapfer noch starrköpfig zu sein. Ich weiß, dass du müde bist und Schmerzen hast. Der Arzt hat Laudanum hiergelassen.“
„Nein“, antwortete er unnachgiebig. Wenn sie an seiner Stelle gewesen wäre, hätte sie dieser Möglichkeit auf ein wenig Schlaf wahrscheinlich nicht widerstehen können.
„Wenn du schläfst, wirst du rascher gesund.“
Beldon versuchte sich hochzustemmen. „Wenn ich schlafe, werden wir sterben.“
Lilya griff sich ein Kissen von einem Stuhl und legte es Beldon in den Rücken, sodass er es bequemer hatte. „Es ist alles in Ordnung. Niemand kommt an Vals Männern vorbei.“
„Aber wir sitzen hier fest, solange ich verletzt bin.“ Beldon klang verbittert.
Lilya schluckte. „Wir werden einen Weg finden.“ Was konnte sie sonst sagen? Wenn Agyros Männer gefunden hatte, die bereit waren, inmitten einer Menge von Menschen auf Beldon zu schießen, wozu waren diese Männer sonst noch bereit? Was würden sie ihnen antun?
Beldon fielen die Augen zu. Sich in Valerians Stadthaus zu verbarrikadieren, war keine Lösung auf Dauer. Es fühlte sich nicht wie ein Sieg an.
Sie hatte es immer in ihrem Innersten gewusst, dass sie nur eines von beiden haben konnte – Beldon oder den Diamanten. Vielleicht sollte sie den Diamanten einfach in einen Briefumschlag stecken und ihn mit einem Kurier an Agyros schicken.
Sie würde endlich frei sein. Vielleicht. Vielleicht wollte er sie aber auch so oder so tot sehen. Sie wusste zu viel und hatte dann keinen Nutzen mehr für ihn.
Unmöglich.
Den Diamanten aufzugeben, war unmöglich.
Das Vermächtnis ihrer Familie aufzugeben, war unmöglich.
Aber es gab auch einen guten Grund dieses „unmöglich“ zu ignorieren. Ihre Familie war zerbrochen. Es gab nur noch Konstantin und sie. Sie lebten jetzt in England. Sie schuldete den Phanarioten nichts. Wenn sie sich gegenüber irgendjemandem verpflichtet fühlte, dann war es ihr Vater und das Versprechen, das sie ihm gegeben hatte.
Sie würde mit ihrer Schuld leben müssen, wenn sie den Diamanten einfach weggab. Eine Frau hatte ebenso ihren Stolz wie ein Mann. Dass sie ihrem Vater vor vielen Jahren ihr Wort gegeben hatte, bedeutete Lilya etwas.
Aber selbst wenn sie den Diamanten weggab, würde er dennoch immer zwischen ihr und Beldon stehen.
Sie würde sich selbst für ihr Verhalten hassen und das würde Folgen für ihre Liebe haben. Sie würden gemeinsam in dem Wissen leben, dass sie den Diamanten gegen Beldons Leben eingetauscht hatte. Sie würde Schuld empfinden und Beldon würde darüber nachgrübeln, ob sie diesen Tausch wohl bereute. Behutsam breitete sie ein Laken über Beldon aus. Es war egoistisch, bei dieser Entscheidung nur an Beldon und sich selbst zu denken. Es ging nicht nur um ihr Leben. Den Diamanten in Agyros’ Hände zu legen, würde das Leben von Tausenden beeinflussen.
In einem unabhängigen Griechenland würden die Phanarioten ihre Machtstellung im Ottomanischen Reich verlieren. Die Unabhängigkeit würde ihre soziale Stellung radikal verändern. Statt als wohlhabende und angesehene Mitglieder der Gesellschaft, würden sie verfolgt und des Landesverrats verdächtigt werden.
Der Diamant könnte ihr Schicksal zum Guten wenden, solange noch nichts entschieden war. Der Diamant konnte eine Armee finanzieren. In den Händen der richtigen Leute konnte er die Macht der Phanarioten stärken und entweder die Unabhängigkeit verhindern oder den künftigen König beeinflussen. In jedem Fall würde er den Einfluss der Phanarioten erhalten, auch wenn er die wahre Unabhängigkeit verhindern würde, für die ihr Vater ihr Leben lang gekämpft hatte und für die er gestorben war.
Die Versuchung, Christoph Agyros den Diamanten zu übergeben, wurde schwächer, während sie über alle Konsequenzen nachdachte. Sie konnte es nicht tun. In solchen dunklen Momenten sehnte sich Lilya nach ihrem Vater und seiner Weisheit. War ihr Vater auch in Versuchung geführt worden? Hatte er sich hin und wieder gewünscht,
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