Historical Saison Band 16 (German Edition)
Paisleymuster eingewebt war.
„Ob gut oder nicht. Wir haben keine andere Wahl“, sagte Beldon mit fester Stimme. „Du musst wegen der Anprobe zur Schneiderin und darauf werden wir wegen Agyros nicht verzichten.“
Doch seine Entschlossenheit beruhigte Lilya nicht.
„Agyros’ Ultimatum ist längst abgelaufen und er hat den Diamanten nicht bekommen. Aber er hat genügend Zeit gehabt, seinen nächsten Schritt zu planen. Er hat nur zwei Möglichkeiten: etwas zu unternehmen oder abzuwarten. Wenn er sich für Letzteres entscheidet, waren seine Drohungen nur heiße Luft.“
Es war ganz gewiss etwas nicht in Ordnung. Beldon wirkte grimmig und angespannt.
Ein zufällig vorbeigehender Passant hätte nichts davon bemerkt. Beldon sah makellos aus. Seine Kleidung war elegant, sein Gesicht glatt rasiert. Doch bei näherer Betrachtung wurden die Unstimmigkeiten in seiner Haltung deutlich. Er plauderte zwar während der Fahrt mit ihr, aber seine Aufmerksamkeit war anderswo. Seine blauen Augen suchten die Straße ab und musterten die Menschen, die unterwegs waren, besonders dann, wenn die Kutsche – wie jetzt – anhalten musste. Ein Bierkutscher lud seine Waren vor einem Geschäft ab und blockierte den Weg.
Es gab noch andere Hinweise. Er hatte sich für die Fahrt zur Anprobe für Philippas Landauer entschieden statt für einen Einspänner, den er selbst lenken konnte. Beldon liebte es, selbst auf dem Kutschbock zu sitzen. Ein weiterer Hinweis war der Spazierstock aus Kirschholz und polierter Bronze, den er auf ihre Ausfahrt mitgenommen hatte. Val hatte in seinem Spazierstock einen verborgenen Degen. Sie würde jede Wette eingehen, dass es bei Beldon ebenso war. Sie war nicht dumm. Beldon erwartete ganz offensichtlich einen Angriff. Und die Fahrt zur Schneiderin diente dem Zweck, den Attentäter dazu einzuladen.
Die Kutsche setzte sich wieder in Bewegung. Lilya nahm die Gelegenheit wahr, Beldon anzusprechen. „Was wird heute passieren, Beldon? Versuche nicht, es abzustreiten. Es ist offensichtlich, dass du dich auf etwas vorbereitet hast.“
Seine Antwort klang geheimnisvoll: „Das sind nur Vorsichtsmaßnahmen. Wir können uns nicht für immer im Haus verstecken. Aber wir können auch nicht so tun, als gebe es keine Gefahr, wenn wir ausgehen.“ Immerhin hatte er es nicht geleugnet. Dennoch konnte sie mit seiner Aussage nicht viel anfangen.
Sie musterte die Straße vor ihr prüfend. Doch Beldon, der mit dem Rücken zur Fahrtrichtung der Kutsche saß, war ihr gegenüber im Vorteil. Er konnte nach hinten sehen. Sie sah nur, was vor ihnen lag. Jemand, der dem Landauer folgte, konnte nicht vor ihnen sein. Sie griff nach ihrem Messer. Es steckte heute in einem Band an ihrer Wade. Sie musste nur ihre Röcke heben, um es zu erreichen. Ein Dolch am Oberschenkel war in der Öffentlichkeit nur schwer hervorzuziehen.
Wenn es einen Angriff geben sollte, wann würde er kommen? Vielleicht, während sie im Verkehr feststeckten? Der Gedanke machte Lilya beklommen. „Vielleicht sollten wir besser zu Fuß gehen“, schlug sie deshalb vor.
„Wir sind fast da. Der Schneider hat sein Geschäft in der nächsten Straße. Wir müssen nur darauf warten, dass der Bierkutscher fertig wird.“
Aber wir sitzen hier wie Tontauben, bereit zum Abschuss! Lilya traute sich nicht, diesen Gedanken laut zu äußern. Denn vielleicht plante Beldon gerade das und wollte Agyros’ Aufmerksamkeit auf sie lenken. Sie wussten beide nicht, was der Schurke vorhatte. Wollte er sie erschießen, erstechen, einen von ihnen entführen oder foltern? Sie schauderte. Die Filiki Adamao waren rücksichtslos und sie wollte sich nicht einmal vorstellen, dass Beldon gefoltert wurde. Zuzusehen, wie er langsam getötet wurde, und zu wissen, dass sie nur den Diamanten zu übergeben brauchte, um seine Qual zu beenden, war ein grauenhafter Gedanke. Wenn sie gefangen genommen wurden, würde es keinen anderen Ausweg als den Tod geben. Egal, ob sie ihnen den Diamanten gab oder nicht, die Filiki Adamao würden sie umbringen.
Die Menge teilte sich und einen Moment lang blickte Lilya auf einen Mann, der in ihre Richtung starrte. Sie nahm Beldons Hand. „Da hinten. Links. Er starrt zu uns herüber. Kannst du ihn sehen?“
Beldon drehte den Kopf, wurde aber abgelenkt. „Eine milde Gabe für einen armen Veteran, lieber Herr?“ Ein Bettler stand auf der einen Seite des Landauers. Er nutzte den stockenden Verkehr für seine Zwecke.
„Da ist er!“ Lilya schrie auf und zog an
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