Historical Saison Band 16 (German Edition)
hat nun keine Macht mehr über mich. Ich glaube, am Ende hätte er mich ebenso in den Wahnsinn getrieben wie Christoph Agyros.“
„Und du hast deine Verpflichtungen gegenüber deiner Familie erfüllt. Die Aufgabe der Stefanovs ist nun beendet.“
„Und das ist gut so. Der Diamant hätte schon vor langer Zeit von jemandem ins Meer geworfen werden sollen.“ Lilya wirkte ruhig. Ihr Gesicht strahlte tiefen Frieden aus. Keine Frage, von ihnen war eine große Last genommen worden. Sie waren nun alle beide frei. Nun war wirklich alles möglich.
Beldon lachte laut auf. Wie seltsam ihm das Schicksal doch mitgespielt hatte! Jetzt, mit zweiunddreißig Jahren, war er völlig mit sich und der Welt im Reinen. Seine Angelegenheiten waren geordnet. Und vor allem hatte er die Liebe seines Lebens gefunden.
Er beugte sich zu seiner Frau hinab und küsste sie. Dann flüsterte er ihr zärtlich ins Ohr: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute …“
– ENDE –
Diamanten der Sehnsucht
PROLOG
Juni 1815
W ährend der Regen vom Himmel strömte und zum Elend der Soldaten beitrug, wurde die Schlacht vorbereitet. Die britischen Truppen, von den Franzosen angegriffen, waren zum Rückzug gezwungen gewesen, nachdem der Kampf den ganzen Nachmittag angedauert hatte. Am folgenden Morgen wich Wellington noch weiter zurück und bezog in der Poststation des Dorfes Waterloo Quartier.
Dorthin erhielt Colonel Lance Bingham eine Nachricht, die ihm sein Adjutant überreichte. Der zerknitterte, schmutzige Umschlag war offensichtlich durch viele Hände gegangen.
„Das hier hat ein Bursche gebracht, Sir“, erklärte der Adjutant. „Die Mitteilung ist dringend, und er sagte, ich müsse sie Ihnen persönlich übergeben.“
Colonel Bingham riss die Nachricht auf, überflog sie und stieß nur ein Wort hervor: „Delphine“. Abgesehen von seinem angespannten Unterkiefer zeigte sein Gesicht nicht die leiseste Regung. „Ich muss etwas unternehmen.“
„Aber Sir, was, wenn General Bonaparte …“
„Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde rechtzeitig zurück sein. Bringen Sie mich zu dem Burschen.“
In dem Wissen, dass er riskierte, vors Kriegsgericht gestellt zu werden, weil er am Abend vor der Schlacht seinen Posten verließ, ritt Colonel Bingham aus dem Camp. Während er dem Burschen folgte, peitschte ihm der Regen ins Gesicht. Er betete zu Gott, dass Bonaparte tatsächlich nicht vor dem Morgengrauen angriff.
Der bescheidene Bauernhof, auf den man ihn rief, lag am Ende eines lehmigen Pfads. Der Bursche, ein Sohn des Bauern, führte Bingham hinein und deutete auf eine wackelige Treppe. Oben angekommen, verharrte Colonel Bingham an der offenen Tür des nur schwach beleuchteten Raums. Ein strenger Geruch nach Blut stieg ihm in die Nase. Neben dem Bett, auf dem eine Frau lag, stand ein Mann, und in einer Ecke der Kammer kümmerte sich eine junge Frau um einen Säugling.
Der Mann drehte sich um und schaute den Neuankömmling an, der den ganzen Raum mit seiner Gegenwart zu füllen schien. Er sah einen Offizier in Uniform, hochgewachsen und mit breiten Schultern. Seine Gesichtszüge waren wie gemeißelt.
„Colonel Bingham?“
Lance nickte. Sein Blick war düster.
„Ich bin Reverend Hugh Watson und gehöre zur Armee Seiner Majestät“, erklärte der Geistliche und zog sich vom Bett zurück, sodass Bingham näher treten konnte. „Dem Himmel sei Dank, dass Sie gekommen sind. Miss Jenkins bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Hebamme, die der jungen Frau bei der Geburt ihres Kindes half, begriff bald, dass sie es nicht überstehen würde. Und als Miss Jenkins nach einem Priester fragte, rief sie mich.“
Mit kühlem Blick musterte Lance den Pfarrer. Er betrachtete den zerknitterten dunklen Anzug und den schmutzigen Leinenkragen. Nie zuvor hatte er jemanden gesehen, der weniger wie ein Geistlicher aussah.
Er fühlte sich außerstande, neben das Bett zu treten. Er spürte, wie sein Gesicht zu einer ausdrucklosen Maske erstarrte, während er die Frau von fern beobachtete. Nachdem er sie sieben Monate nicht gesehen hatte, erkannte er in ihr nicht mehr die hübsche, lebhafte junge Frau, die ihn während seiner Jahre als Soldat in Spanien so vortrefflich unterhalten hatte. Nach saurem Schweiß riechend, lag sie unter den Laken. Ihr Gesicht war wachsbleich und schmaler als vor einem halben Jahr, und unter ihren Augen lagen dunkle Ringe.
Als hätte sie seine Anwesenheit gespürt, öffnete sie zuckend die Lider und richtete
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