Historical Saison Band 16 (German Edition)
seiner Mutter und auch sein eigenes.
Lance wandte sich von seinem Töchterchen ab und ging zum Bett zurück. „Sie ist sehr hübsch, Delphine.“
„Ja, ein hübsches kleines Mädchen. Ich habe sie Charlotte genannt – nach meiner Mutter. Als ihr Vater wirst du … auf sie aufpassen. Willst du das tun, Lance? Die Verantwortung für sie tragen, für sie sorgen und sie beschützen? Sie hat niemanden außer dir.“
Lance nickte, wobei seine Kehle sich zusammenzog. Delphine war so schwach, so wehrlos gegen das, was mit ihr geschehen würde. Er verfluchte das Schicksal, das ihm keine Möglichkeit gab, wiedergutzumachen, was er ihr angetan hatte, indem er sie wegstieß; verdammte das grausame Schicksal, welches nicht zuließ, dass er diese warmherzige und reizende Frau zurück in sein Leben holte.
„Ich gebe dir mein Wort, dass es ihr an nichts fehlen wird, was für eine angemessene Erziehung notwendig ist. Aber – gibt es etwas, das ich tun kann, um deine Leiden zu lindern? Irgendetwas?“
„Sie könnten als ehrenhafter Gentleman handeln und Miss Jenkins heiraten, Sir“, schlug der Geistliche in energischem Ton vor, der fast einem Befehl glich. „Die Kleine ist ein Bastard, und die Schande der unehelichen Geburt wird ein Leben lang auf ihr lasten. Als ihre legitime Tochter wäre ihre Zukunft gesichert.“
Sekundenlang fehlten Lance die Worte. Bis zu diesem Tag wäre es unmöglich gewesen, vollkommen undenkbar, Delphine zur Frau zu nehmen, denn er musste an seine Stellung in der Gesellschaft denken. Eine Ehefrau wie sie wäre auf keinen Fall anerkannt worden. Doch das hier, gütiger Himmel, änderte alles. Lance wusste, dass ein Mann nicht einfach aufgrund seiner edlen Herkunft Gentleman werden konnte. Mitgefühl, Ehre und Anstand waren nur drei der Charaktermerkmale, an denen man den wahren Gentleman erkannte. Ein Mann hatte die Verantwortung und die Pflicht, jene, die ihm nahestanden und die von ihm abhängig waren, vor den Grausamkeiten dieser Welt zu beschützen. Als er nun seinen Blick zwischen Delphine und dem Kind hin und her wandern ließ, spürte er das Gewicht dieser Verantwortung so schwer wie nie zuvor. Er konnte Delphine und ihr gemeinsames Kind nicht wie etwas Wertloses beiseiteschieben und sich weiterhin als Ehrenmann sehen.
Ohne das Gesicht zu verziehen und irgendeine Emotion zu zeigen, fragte er: „Möchtest du das, Delphine?“
Sie nickte. Aus ihrem Augenwinkel löste sich eine Träne und wurde gleich darauf vom Kissen aufgesaugt. „Um unserer Tochter willen. Ich sterbe, Lance, also werde ich dir nicht zur Last fallen, und du wirst weiterleben können wie zuvor. Würdest du es tun – für mich?“
„Ich bin stolz, dich zur Frau zu nehmen, Delphine“, erklärte Lance mit heiserer Stimme. Er schaute den Pfarrer an. „Gut. Fangen Sie an.“
Nachdem der Bauer und seine Frau als Zeugen herbeigeholt worden waren, leisteten Delphine und Lance ihren Schwur, und als der Geistliche sie zu Mann und Frau erklärte, begann der Säugling kräftig zu schreien.
Delphine lächelte und schloss die Augen. „Du kannst jetzt gehen, Lance. Es gibt nichts mehr zu tun.“
Es schien tatsächlich so zu sein. Ein letzter Seufzer, dann fiel ihr Kopf zur Seite.
Lance starrte sie an. Er konnte nicht glauben, dass sein liebes, süßes Mädchen – seit so kurzer Zeit seine Ehefrau – tot war. Der Schmerz schnitt sein Herz mitten entzwei.
Lance zeigte niemandem seine Gefühle. Er sammelte sich einen Moment, bevor er die notwendigen Papiere unterschrieb. Dann gab er dem Pfarrer Geld für die Beerdigung. Mit steinerner Miene und leerem Blick wandte er sich schließlich der Frau zu, die sein Kind in den Armen hielt.
„Sind Sie Engländerin?“
„Ja, Sir.“
„Wie heißen Sie?“
„Mary Grey, Sir. Mein eigenes Kind ist gestorben – vor sechs Tagen – und die Hebamme, die sich um Ihre Frau gekümmert hat, fragte mich, ob ich die Amme Ihrer Tochter sein möchte.“
„Und was ist mit Ihrem Mann?“
„Ich habe keinen Mann, Sir. Mein Mann war schon tot, als unser Kind zur Welt kam.“
„Ich verstehe.“ Er dachte nach, während er sie betrachtete. Wenigstens war sie sauber und sprach mit ruhiger Stimme. „Würden sie das Kind weiter nähren und es nach England bringen? Ich werde Sie für Ihre Mühe gut bezahlen und jemanden schicken, der Sie begleitet. Er wird einen Brief für Sie mitbringen, den Sie meiner Mutter geben sollen.“
„Ja, Sir.“
Der Geistliche näherte sich. „Es ist nicht
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