Historical Saison Band 16 (German Edition)
mich näher kennt. Ich habe einen schlechten Ruf, das gebe ich offen zu – aber das Meiste davon beruht auf übler Nachrede. Sie sollten nicht alles glauben, was Sie über mich hören.“ In Belles Blick lag kühler Hochmut. Er wartete einen Moment, dann setzte er sein charmantestes Lächeln auf. „Sind Sie wirklich sicher, dass Sie nicht tanzen wollen?“
„Sehr sicher“, fauchte sie.
„Sie wissen nicht, was Sie verpassen.“
„Schmerzende Zehen wahrscheinlich.“
„Es ist sehr lange her, seit ich zuletzt einer Dame auf die Füße getreten bin, Belle.“
Als er so vertraulich ihren Vornamen benutzte, geriet ihr Herzschlag aus dem Takt. „Kann sein, aber ich werde das Risiko nicht eingehen. Ich habe Sie nicht aufgefordert, mich um einen Tanz zu bitten.“
„Ich weiß. Das habe ich aus eigenem Antrieb getan. Ich war schon immer ungestüm“, erklärte er grinsend.
„Warum überrascht mich das nicht? Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen. Meine Großmutter winkt mich herbei.“
Lance nickte ihr mit spöttischer Zuvorkommenheit zu. Dann flüsterte er ihr ins Ohr: „Gehen Sie, wenn Sie gehen müssen. Aber ich werde nicht aufgeben.“
Lance war es nicht entgangen, dass die Countess of Harworth ihn den ganzen Abend sorgfältig beobachtet hatte. Obwohl zahllose junge Frauen ihn umringten und um seine Aufmerksamkeit buhlten, galt sein Interesse jedoch dem einzigen weiblichen Wesen in Carlton House, das immun gegen ihn zu sein schien – ihrer Enkelin.
Er bezweifelte ernsthaft, jemals zuvor eine solche Vollkommenheit gesehen zu haben, und es reizte ihn, mit der Dame nach Herzenslust zu spielen. Daher schlug er, eine halbe Stunde nachdem er mit ihr gesprochen hatte, jede Vorsicht in den Wind und näherte sich Belle erneut.
Belle unterhielt sich mit zwei älteren Damen, und als sie aufblickte, erspähte sie ihn über die anderen Gäste hinweg. Er wandte mit einer herrischen Bewegung den Kopf, hielt ihren Blick mit seinem fest und lächelte dabei selbstsicher. Dann kam er auf sie zu, und sie war kein bisschen erstaunt, als sich die Menge vor ihm teilte wie das Rote Meer vor Moses.
Sie schaute ihm unverwandt ins Gesicht. Er lächelte sie unwiderstehlich an. Sie war an männliche Bewunderung gewöhnt, doch noch nie hatte das Verhalten eines Mannes Feindseligkeit in ihr geweckt und gleichzeitig ihre Sinne in Aufruhr versetzt und ihre Fantasie beschäftigt.
„Da Sie diesen Tanz noch niemandem versprochen zu haben scheinen, frage ich mich, ob ich …“
Belle schob stolz ihr Kinn vor. „Vielen Dank, aber ich tanze momentan nicht.“
„Das sehe ich, aus diesem Grund bin ich ja hier. Wenn die Damen uns also entschuldigen wollen …“
Nachdem er sich in Richtung der mit offenen Mündern dasitzenden Matronen verbeugt hatte, griff Lance nach ihrer Hand, zog Belle von ihrem Stuhl hoch und führte sie mitten zwischen die herumwirbelnden Tanzpaare. Dort zog er sie in seine Arme.
Belle war es so wenig gewohnt, gegen ihren Willen zu etwas genötigt zu werden, dass sie mit ihm ging und unwillkürlich die richtigen Walzerschritte machte, bevor sie überhaupt begriff, was sie da tat.
Ihr Erstaunen über seine unerhörte Dreistigkeit dauerte nicht lange, dann erwachte ihr Zorn. Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte ihn stehen gelassen und wäre von der Tanzfläche gestürmt, doch das konnte sie nicht tun, denn sie war sich nur allzu bewusst, dass die Blicke fast aller Gäste auf ihnen ruhten. Sie durfte ihn nicht vor all diesen Leuten beleidigen. Ebenso wenig durfte sie ihrer Großmutter Schande bereiten, indem sie eine solche Szene machte. Also beschloss sie, nicht mit ihm zu reden und zu gehen, sobald der Tanz zu Ende war.
Sie tanzten eine Weile stumm. „Das macht Spaß, nicht wahr?“, bemerkte er schließlich und in seinem neckenden Ton schwang Ironie mit.
Als er sie dichter an sich zog, versteifte sich Belle. Beim Blick in seine Augen vergaß sie ihren Plan, nicht mit ihm zu reden. „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich nicht so fest an sich drücken würden. Ich tanze nur mit Ihnen, weil Sie mich auf die Tanzfläche gezerrt haben“, erklärte sie und bemühte sich, so eisig und herablassend wie möglich zu klingen. „Ist es Ihre Gewohnheit, Ihre Tanzpartnerinnen so ungalant von ihren Anstandsdamen wegzuziehen?“
Ein leichtes Lächeln tanzte um seine Lippen, als wüsste er ganz genau, was in ihrem Kopf vor sich ging. „Nur wenn ich glaube, dass sie sich vielleicht weigern, mit mir
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