Historical Saison Band 17
sollte? Eine arrangierte Ehe …
Heißer Zorn stieg in ihm hoch. Blindlings hämmerte er seine Faust gegen die Wand. Warum mutete Alfredo da Silva seiner Tochter so etwas zu? Und wie konnte sie sich einem Fremden hingeben? Eine so bezaubernde, lebensfrohe junge Dame opferte sich zum Wohl ihrer Familie? Nie zuvor war er so wütend gewesen.
Aber er musste seine Emotionen bezähmen. Er kannte Domino kaum. Und auch in seiner Welt gab es arrangierte Ehen. Lieblose Partnerschaften bildeten die bevorzugten Jagdgründe aller Frauenhelden, die auf sich hielten. Und dazu gehöre ich, dachte er zynisch. Eine hässliche Kategorie. Unschuldigen Mädchen wie Domino musste er jedoch aus dem Weg gehen. Diese Lektion hatte er schon vor langer Zeit gelernt.
Während Domino neben ihrem Vater in der Kutsche saß, die gemächlich heimwärts rollte, freute sie sich, weil sie Joshua Marchmain aus seiner üblichen stoischen Ruhe gebracht hatte. Der Hinweis auf ihre baldige Heirat hatte ihn sichtlich erschreckt. Weil er sie mochte? Oder störte ihn nur der Gedanke an eine arrangierte Heirat? Wohl kaum. Im Lauf der Jahre musste er von vielen solcher Ehen profitiert haben, als Tröster von Frauen, die ihre Männer nicht liebten.
Aber die Neuigkeit über ihre Heirat hatte sein Gesicht verdüstert. Wollte er sie vor einem solchen Schicksal retten? Oder sie für seine eigenen ehrlosen Absichten bewahren? Das fand sie wahrscheinlicher. Gewiss hatte er sich nicht in sie verliebt. Denn Lebemänner empfanden keine tieferen Gefühle für ihre Gespielinnen.
Die Erinnerung an ihre bevorstehende Heirat führte ihr vor Augen, wie schnell die Zeit verging. Was bisher ein ferner, abstrakter Gedanke gewesen war, entwickelte sich zur Realität.
Nachdem Richard aus ihrem Leben verschwunden war, hatte sie sich nicht mehr dafür interessiert, wen sie heiraten würde. Sie hatte erwartet, sie würde die ehelichen Intimitäten duldsam und leidenschaftslos ertragen. Aber die Ereignisse dieses Nachmittags belehrten sie eines Besseren. Die Begegnung mit Joshua Marchmain hatte sie viel zu sehr verwirrt.
So innig sie Richard auch geliebt hatte – in jenen Tagen war niemals dieses elementare, heiße Verlangen in ihr erwacht, so wie vorhin bei Joshua. Und sie hatte seine gefährliche, magische Anziehungskraft nicht zum ersten Mal gespürt. Wann immer er in ihrer Nähe auftauchte, musste sie ihre Emotionen zügeln. Sehnte sie sich tatsächlich nach einem Mann, der die Frauen so rücksichtslos und arrogant ausnutzte? War sie seinen goldbraunen Augen, seinem lässigen Lächeln, seinem muskulösen Körper verfallen? Allmählich kannte sie sich selbst nicht mehr.
In den nächsten Tagen erreichte ihre innere Unruhe einen neuen Höhepunkt. Ständig musste sie in Bewegung sein, und so vergaß Domino ihr früheres Widerstreben, sich auf der Straße zu zeigen. Jeden Vormittag erforschte sie mit ihrer Zofe einen unbekannten Teil der Landschaft rund um Brighton, wanderte durch die Stadt, einen Hang hinauf zu einem Aussichtspunkt oder die Küste entlang. Die arme Flora konnte kaum mit ihr Schritt halten.
Auf einem ihrer Spaziergänge kamen sie zu dem Damenstrand, den Joshua Marchmain erwähnt hatte.
„Schauen Sie doch, Flora!“, lenkte Domino die Aufmerksamkeit des Mädchens auf die Badekarren. Von Pferden gezogen, beförderten sie die Schwimmerinnen ins seichte Wasser. Dort halfen die Bademeisterinnen ihnen, ins Meer zu steigen.
Entsetzt erschauerte die Zofe. „Oh nein, Miss, das gehört sich nicht.“
„In diesen Wagen ziehen sich die Frauen um, dann versinken sie im Wasser. Das finde ich keineswegs unschicklich.“
Flora seufzte skeptisch. „Aber Ihrem Vater würde es missfallen. Und Miss Carmela auch.“
„Da so viele Damen hier baden, muss es akzeptabel sein“, meinte Domino.
„Das werden Sie doch nicht tun, Miss!“, rief Flora schockiert. „Bedenken Sie, wie gefährlich es wäre!“
Ein paar Frauen in Flanellkostümen und mit Badekappen kletterten aus den Wagen und tauchten ihre nackten Zehen vorsichtig ins Wasser. Ermutigt wagten sie sich weiter ins Meer hinaus.
„Das glaube ich nicht“, erwiderte Domino. „An der Küste ist das Wasser ziemlich seicht, und die Bademeisterinnen passen auf, damit nichts passiert. Sobald die Damen sich an das Meer gewöhnt haben, fühlen sie sich richtig wohl. Sehen Sie nicht, wie fröhlich sie sind? Wie gern wäre ich bei ihnen …“
Plötzlich wünschte sie sich, mit den Frauen in den Wellen umherzutollen und
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