Historical Saison Band 17
nicht anstarren lassen. Schon gar nicht von einem Mann, der in einem gewissen Ruf steht.“
„Welchen Ruf meinen Sie?“, fragte er tonlos.
„Nun möchte ich dieses Gespräch beenden. Würden Sie mich bitte vorbeilassen?“
Doch er rührte sich nicht von der Stelle und musterte sie grimmig. „Sie sind ein bezauberndes Mädchen, Domino, aber jung und naiv. Von mir und meinem Leben wissen Sie nichts. Also seien Sie vorsichtig mit Ihrem Urteil.“
„So naiv, um einen Wüstling nicht zu erkennen, bin ich wohl kaum.„Nun hatte sie das skandalöse Wort ausgesprochen und erwartete einen Wutanfall.
Stattdessen lächelte Joshua Marchmain herablassend. „Bin ich ein Wüstling?“, fragte er gedehnt. „Nur weil ich gewagt habe, Ihren schönen Körper in einem nicht sonderlich freizügigen Badekostüm zu bewundern?“
Heiße Röte stieg ihr in die Wangen. „Seit wir uns kennen, ärgern sie mich andauernd.“
„Jetzt übertreiben Sie schon wieder. Ich gehe einfach nur meiner Wege. Wenn Sie sich ärgern, ist es nicht meine Schuld.“
„Behaupten Sie, ich hätte keinen Grund zur Klage?“, zischte sie.
„Nun, ich meine nur, dass Sie mein Interesse an Ihnen überbewerten. Verzeihen Sie, aber eine zu rege Fantasie kann ungesund sein.“
Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. Nur mühsam bezwang sie diesen Impuls und versuchte, ihn auf möglichst verletzende Weise zu beleidigen.
„Sicher halten Sie sich für einen Gentleman. Wenn Sie wirklich einer sind, sollten Sie mich nicht mehr belästigen.“
Sie sah, wie er sich versteifte. Dass sie ihn als Wüstling bezeichnet hatte, schien ihn weniger zu stören. Aber die Andeutung, er wäre kein Gentleman, traf vermutlich einen wunden Punkt.
„Natürlich bedaure ich, wie unangenehm Sie meine Gesellschaft finden, Miss da Silva“, sagte er kühl.
„So ist es nun einmal.“
„Dann will ich Sie nicht länger mit meiner Gegenwart belästigen. In Zukunft werde ich mich, soweit es möglich ist, außerhalb Ihres Blickfelds aufhalten.“
„Bitte, tun Sie das.“
„Wenn ich mir noch eine Frage erlauben darf …“ Seine Stimme triefte vor Ironie. „Werden Sie morgen das Rennen in Lewes besuchen?“
„Ich glaube, mein Vater hat Plätze für uns reservieren lassen.“
„In diesem Fall werde ich mich hundert Meilen von Lewes entfernen.“
„Das freut mich zu hören“, stieß sie hervor und stürmte an ihm vorbei.
Blinde Wut erfüllte sie auf dem kurzen Weg zur Marine Parade. Erst als sie das Haus Nummer acht erreichte, fragte Domino sich, warum Joshua Marchmains Benehmen sie dermaßen erzürnte. Mit seinem Voyeurismus hätte sie rechnen müssen.
Oder hatte sie etwas anderes erwartet und insgeheim gehofft, die skandalösen Gerüchte über ihn wären ungerechtfertigt? Hatte sie glauben wollen, er sei vertrauenswürdig? Wie dumm von mir … Er hatte recht, sie war wirklich naiv. Immer würde er ein unverbesserlicher Wüstling bleiben. Ein ehrbarer Mann hätte seinen Blick vom Badestrand der Frauen abgewandt – und wäre nicht einmal dorthin gegangen! Wie viele Enttäuschungen musste sie noch ertragen, bis sie endlich ihre Unfähigkeit akzeptieren würde, die Männer zu beurteilen? Wieder in Spanien, würde sie es den Tanten überlassen, einen Bräutigam für sie auszusuchen. Eine schlechtere Wahl als ich können sie wohl kaum treffen …
In diese unangenehmen Gedanken versunken, betrat sie die Halle und hörte ihren Vater protestieren: „Das ist einfach nur ein gesellschaftliches Ereignis, Carmela, mehr nicht.“
„Natürlich weiß ich, dass diese Pferderennen heutzutage ein allgemein akzeptiertes Amüsement darstellen. Aber ein Rennplatz ist ein Sündenpfuhl. Das kannst du nicht bestreiten.“
„Nun gut, du hast – gewisse Ansichten.“ Alfredo drückte sich betont vorsichtig aus. „Allerdings glaube ich, in diesem Fall bist du etwas zu streng.“
„Das finde ich nicht. Wenn man sich zu einer Wette hinreißen lässt, ist es eine schwere Sünde.“
„Weder Domino noch ich werden wetten. Wir wollen nur ein paar Stunden an der frischen Luft genießen und die Rennen sehen.“
„Aber das Laster wird euch umzingeln!“ So leicht gab Carmela sich nicht geschlagen. „Wir müssen Domino vor den Lockungen des Teufels schützen. Solchen Versuchungen dürfen wir ein unschuldiges Mädchen nicht aussetzen.“
„Jetzt reicht’s!“ Wütend stürmte Alfredo aus dem Salon in die Halle, verschwand in seinem Arbeitsraum und warf geräuschvoll die Tür hinter
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