Historical Saison Band 17
schiefgelaufen war.
„Sie ist nicht erschienen“, begann sie ohne Umschweife. „Marchmain muss sie abgefangen und zur Umkehr überredet haben.“
„Und das ließen Sie zu?“
„Was sollte ich denn tun? Als er bei der Kreuzung antraf, wo ich auf Domino wartete, war sie bereits auf dem Heimweg. Wäre ich nicht ebenfalls in die Stadt zurückgekehrt, hätte er in alle Welt hinausposaunt, was ich geplant hatte.“
„Und …?“
„Dann muss er zur Keere Street geritten sein und den Männern irgendetwas erzählt haben, um unsere Abwesenheit zu erklären“, seufzte sie.
Moncaster ging wieder hin und her, diesmal auf dem chinesischen Teppich des Salons. Mit jedem Schritt nahm seine Miene bedrohlichere Züge an. Mehrmals biss er sich auf die Lippe, bis er schließlich wütend hervorstieß: „Noch erbärmlicher konnten Sie das gar nicht verbocken!“
„Was meinen Sie?“
„So selbstsicher haben Sie behauptet, es würde klappen, Sie würden das Mädchen demütigen. Stattdessen hat Miss da Silva Sie gedemütigt.“
„Keineswegs. Und wenn ich Sie daran erinnern darf – Sie haben dem Plan zugestimmt. Als ich die riskante Rennstrecke erwähnte, waren Sie felsenfest von meinem Erfolg überzeugt.“
„Ja, irrigerweise habe ich mir eingebildet, Sie könnten die lästige junge Dame zur Strecke bringen. Von jetzt an werde ich meine eigenen Entscheidungen treffen.“
„Wie Sie wünschen. Die Sache interessiert mich nicht mehr.“
„Bis heute Morgen waren Sie brennend daran interessiert.“
„Nach diesen Ereignissen wird Joshua unsere Freundschaft wohl kaum fortsetzen“, sagte Charlotte tonlos. „Deshalb ist es mir egal, was mit dem Mädchen passiert.“
Da eilte Moncaster zu ihr und umfasste ihre Hände. „Glauben Sie nicht, Mr Marchmain könnte zu Ihnen zurückkehren, wenn das elende Mädchen aus seinem Blickfeld verschwindet?“
Schweigend riss sie sich los und ging zur Tür.
„Wollen Sie sich nicht einmal rächen?“, rief er ihr nach.
Abrupt blieb Charlotte stehen. Nachdenklich klopfte sie mit ihrer Reitpeitsche auf den blauen Samtrock ihres modischen Reitkostüms. „Würden Sie meine Rache inszenieren, Leo?“, fragte sie langsam.
„Mit Vergnügen. Wir sind zu kompliziert vorgegangen. Wir brauchen eine einfachere Methode.“
„Haben Sie eine Idee?“
„Ja. Vertrauen Sie mir?“
„Nachdem mein Plan erbärmlich gescheitert ist, wie Sie es unverblümt nannten“, entgegnete sie in scharfem Ton, „was habe ich zu verlieren?“
Glücklicherweise erreichte Domino die Residenz ihres Vaters, bevor ein Mitglied des Haushalts ihre Abwesenheit bemerkte. Es hatte sie einige Zeit gekostet, die Stute in den Mietstall zu bringen und dann den Strand entlangzueilen.
Als sie durch den Hintereingang ins Haus huschte, hörte sie gedämpfte Geräusche, die aus der Küche drangen. Aber kein Dienstbote, der sie in Verlegenheit gestürzt hätte, kreuzte ihren Weg, und sie schlich nach oben in ihr Zimmer.
Kaum war sie aus ihrem Reitkostüm geschlüpft, da klopfte Flora auch schon an die Tür und servierte die Morgenschokolade.
Erstaunt musterte sie das Ensemble, das über einem Stuhl lag, und Domino erklärte: „Ich wollte ausreiten. Aber ich war zu müde.“
Die Zofe runzelte besorgt die Stirn. Doch sie hängte das Reitkleid kommentarlos in den Schrank und ließ ihre Herrin mit ihren Gedanken allein.
Und die waren nicht erfreulich. Welch eine Ironie … Sie musste sich auf einen Mann von zweifelhaftem Ruf verlassen, der ihren eigenen retten würde. Warum wollte Joshua Marchmain ihr helfen? Sie war nicht besonders nett zu ihm gewesen, hatte alle seine Annäherungsversuche abgewehrt und keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen ihn gemacht. Deswegen musste sie sich keine Vorwürfe machen, denn er hatte sich unerträglich benommen.
Allerdings nicht heute Morgen. Da war er sehr ernst gewesen, und seine Stimme hatte kein bisschen verführerisch geklungen. Stattdessen hatte er in strengem Ton seinen Standpunkt erläutert, und sein Tadel war unmissverständlich gewesen. Trotzdem hatte sie geglaubt, Mitleid in seinen goldbraunen Augen zu lesen – vielleicht sogar eine gewisse Zärtlichkeit. Unwahrscheinlich … Aber bei diesem Gedanken wurde ihr fast schwindlig.
In ihrer Fantasie erschien er wieder, hoch aufgerichtet im Sattel seines Rappen. So imposant hatte er ausgesehen, eindeutig Herr der Lage. Und wie ein Mann, dem sie vertrauen konnte. Deshalb hatte sie ihr Schicksal in seine Hände gelegt. Was er den
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