Historical Saison Band 17
spürte sie die ganze Kraft seines Verlangens. Seine Lippen glitten an ihrem Hals hinab zur Schulter, zur sanften Wölbung ihres Busenansatzes. Zitternd schmiegte sie sich an ihn. Wie aus weiter Ferne hörte sie ihr eigenes Stöhnen.
Dieser Laut schien ihn zur Vernunft zu bringen. Abrupt trat er zurück und rang nach Luft. Bis er zu sprechen begann, dauerte es eine Zeit lang. Und dann schwang immer noch heiße Begierde in seiner Stimme mit.
„Halt dich von mir fern, sonst mache ich dich nur unglücklich!“ In sanfterem Ton fuhr er fort: „Verzeih mir. So schön bist du, Domino, in jedem Sinn des Wortes. Doch das entschuldigt nicht, wie schnell ich mein Versprechen gebrochen habe.“
Immer noch benommen von schwindelerregenden Gefühlen, schwieg sie, und Joshua versuchte, die heikle Situation mit einem Scherz zu überspielen.
„Als erfahrener Wüstling empfehle ich dir, sofort in den Schoß deiner Familie zurückzukehren.“
Er bot ihr seinen Arm. So würdevoll sie es vermochte, legte sie ihre Hand darauf, den Kopf hoch erhoben.
Während sie den Korridoren folgten, betrachtete sie Joshua und sich selbst in zahlreichen Spiegeln. Mag er auch gefährlich sein, dachte sie, was für ein hübsches Paar wir abgeben … Fast respektabel! Darüber musste sie beinahe lachen. Doch dann meldete sich ihr Gewissen. Nie wieder würde sie dermaßen die Kontrolle verlieren. Was soeben geschehen war, durften weder ihr Vater noch Carmela erfahren. Schon gar nicht ihr unbekannter spanischer Bräutigam! Niemals sollte er auch nur ahnen, welch eine undamenhafte Leidenschaft in ihr schlummerte. Das musste für immer geheim bleiben. Wenigstens plauderten Wüstlinge nicht aus, wen sie geküsst hatten. Sonst wären sie nicht so erfolgreich.
Auch Joshua musterte die Spiegelbilder und lächelte ihr zu. Die Narbe auf seiner Wange war kaum sichtbar. Aber sie verlieh ihm, wie Domino fand, ein gewisses Flair. Nicht, dass er es nötig hätte, dachte sie, so wundervoll sieht er aus … Dann ermahnte sie sich schuldbewusst: Solche Gedanken sind tabu. Auf mich wartet eine ganz andere Zukunft.
In der Galerie angekommen, blieb Joshua stehen und wandte sich zu Domino. „Denk an meine Warnung“, sagte er leise und ernsthaft. „Du hast Feinde, die dir schaden wollen. Wenn du mich brauchst – ich bin für dich da.“
Weil ihr Vater sichtlich besorgt zu ihr eilte, fand sie keine Zeit für eine Antwort.
„Überall haben wir dich gesucht!“, klagte er. „Gerade befragt Carmela die Lakaien.“
„Bitte, halte sie zurück, Papa!“, flehte sie verlegen. „Wie du siehst, geht es mir gut. Mr Marchmain war so freundlich, mich aus dem Apartment des Prinzregenten hierher zu begleiten.“
„Aus dem Apartment des Prinzregenten?“, wiederholte ihr Vater erschrocken.
„Aus seinem Salon, Sir“, erklärte Joshua beruhigend. „Er wollte Ihrer Tochter seine kostbare Broschensammlung zeigen.“
Alfredo runzelte noch immer unbehaglich die Stirn. „Sicher war Seine Königliche Hoheit sehr liebenswürdig. Aber jetzt ist es an der Zeit, nach Hause zu fahren.“
Nachdem sie Carmela gefunden hatten, verließen sie den Palast so schnell wie möglich.
Bedrückt schaute Joshua der Kutsche nach. Domino sollte auf dem Altar familiärer Pflichten geopfert werden. Und sie wollte sich sogar opfern! Dagegen konnte er nichts tun. Er hatte keinen guten Ruf und nicht das Recht, ihre Zukunft zu beeinflussen.
Diese Küsse – nur ein Zwischenspiel … Trotzdem sang sein Herz immer noch. Einfach lächerlich! Wie viele Frauen hatte er schon geküsst? Nicht so , wandte eine kleine innere Stimme ein. Nicht so! Es war eine Offenbarung gewesen. Dominos Jugend und ihre Vitalität, in einem zauberhaften Moment eingefangen … Welch starke Gefühle ihr Herz erfüllten, hatte er von Anfang an gespürt, welche Leidenschaft in ihr schlummerte und nur darauf wartete, geweckt zu werden. Er hatte sie küssen wollen, bis sie ihn anflehen würde, niemals aufzuhören. Zweifellos begehrte sie ihn genauso wie er sie. Noch eine Eroberung, eine weitere auf meiner langen Liste, dachte er sarkastisch. Ein Grund mehr, um ihr aus dem Weg zu gehen. Sonst würde er sie nur verletzen. Zerstörte er denn nicht alles, was ihm lieb und teuer geworden war?
Von innerer Unruhe erfasst, kehrte er in sein Atelier zurück, zog den Frackrock aus und schlüpfte in den fleckigen Malerkittel. Dann stellte er eine leere Leinwand auf die Staffelei und ergriff einen Pinsel. Vor seinem geistigen Auge sah
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