Historical Saison Band 17
er Domino, wie sie in diesem Raum gestanden hatte. Nun wollte er ihr schönes junges Gesicht malen, so wie es ihm nach den Küssen erschienen war – die einzige Möglichkeit, sie festzuhalten, gleichsam zu besitzen.
6. KAPITEL
I n dieser Nacht dauerte es lange, bis Domino einschlief. Der Besuch im Pavilion kreiste wie ein Kaleidoskop aus Farben, Geräuschen und Ereignissen unablässig in ihrem Gehirn. Die seltsame Architektur, die exotische Einrichtung, die stickige Hitze. Und dann die ungeschickten Annäherungsversuche des Prinzregenten … Eine Weile hatte sie tatsächlich um ihre Tugend gebangt – bis zur Ankunft ihres Retters.
War es ihr Schicksal, stets von dem Mann gerettet zu werden, der ihr wie eine Gefahr erscheinen müsste? Andererseits hatte Joshua sie niemals ernsthaft bedroht, nur ihren Seelenfrieden. Gewiss, er provozierte sie immer wieder. Aber nicht an diesem Abend. Da war er ihr verändert erschienen, nachdenklich und in sich gekehrt, eng verbunden mit seinem Atelier, mit seiner geliebten Malkunst.
Was mochte es bedeuten, dass er sie porträtiert hatte? Sie zweifelte an seiner Behauptung, ihr fremdländisches Wesen habe ihn inspiriert. Denn das Bild strahlte eine Intimität aus, die ihr verriet, es müsste mehr dahinterstecken.
Und die Küsse … Was bedeuteten sie ihm? Jedenfalls hatten sie ihre Welt völlig durcheinandergebracht. Sie war dahingeschmolzen. In jenen Momenten hatte nur noch er existiert, alles andere war in weite Ferne gerückt. Nie zuvor hatte sie so intensive Gefühle empfunden. Ihr Herz, ihr Körper, alle Fasern ihres Seins waren von diesen verzehrenden Emotionen beherrscht worden.
Richard hatte sie nie geküsst. Hätte er es getan, wäre sie sicher nicht so hingerissen wie am letzten Abend gewesen, gefangen in Joshuas Bann. Wenn sie jetzt an ihre Gefühle für Richard dachte, erschienen sie ihr in neuem Licht. Nur die Schwärmerei eines Schulmädchens, so wie er es stets betont hatte, nur das Vorspiel der wahren Liebe. Und an diesem Abend? Hatte sie den Beginn der wahren Liebe erlebt? Der Gedanke erschreckte sie, denn wenn es so wäre, würde es die Zukunft zerstören, für die sie sich entschieden hatte.
Bei der Rückkehr in die Galerie des Pavilion hatte sie sich gelobt, nie wieder die Kontrolle zu verlieren, ihrer Begierde nie mehr so schamlos nachzugeben. Jene Momente würde sie aus ihrer Erinnerung verbannen, als wären sie nie geschehen. Trotzdem dachte sie immer wieder daran, wiederholte in Gedanken die betörenden Küsse und schwelgte in reinem Entzücken.
Nach einer rastlosen Nacht schleppte Domino sich am nächsten Morgen müde und deprimiert aus dem Bett. Was sie denken und was sie tun sollte, wusste sie nicht. Solange sie Joshua für einen Wüstling gehalten hatte, war es ihr leicht gefallen, die Stimme ihres Herzens zu ignorieren. Jetzt gelang ihr das nicht mehr.
Erfolglos versuchte sie, ihr Herz zu bezwingen, indem sie an Joshuas despektierliche Vergangenheit dachte und sich einredete, wie albern es wäre, jene Küsse und Zärtlichkeiten ernst zu nehmen.
Nicht nur die Duchess war seine Geliebte gewesen. Mindestens ein halbes Dutzend andere Damen, die derzeit in Brighton weilten, mussten sein Bett geteilt haben. Wenn sie das auch nicht mit Sicherheit wusste – sie erinnerte sich an das alte Sprichwort: kein Rauch ohne Flamme. Jedenfalls war er eine unpassende Gesellschaft für eine junge Dame. Und sie hatte nicht nur seine Gesellschaft geduldet …
Unschlüssig überlegte sie, ob sie sich daheim verkriechen oder den Gefahren trotzen sollte, die ihr bei einem Spaziergang durch die Stadt drohen würden. Carmela, an diesem Morgen in besonders schlechter Laune, nahm ihr die Entscheidung ab.
„Also, ich begreife nicht, wieso du gestern Abend für so lange Zeit verschwunden bist“, begrüßte sie Domino am Frühstückstisch.
„Weil der Prinzregent mir seine Juwelensammlung zeigen wollte“, erwiderte Domino müde. „Papa wusste, wo ich war.“
„Keineswegs. Sonst hätte er dich nicht überall gesucht.“
„Aber er hat mich selber zum Prinzregenten geführt.“
„Im Musiksalon , Domino, du solltest im Musiksalon bleiben und nicht wortlos weiß Gott wohin wandern.“
„Der Prinzregent wünschte mich in seinen Gelben Salon einzuladen. Das konnte ich wohl kaum ablehnen. Und ich fand keine Gelegenheit, euch vorher darüber zu informieren.“ Wohlweislich verschwieg Domino die Weigerung des Prinzregenten, ihre Cousine rufen zu lassen.
Aber Carmela
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