Historical Saison Band 17
wirken.
„Allerdings“, bestätigte Alfredo und suchte die Platzkarten.
Ein riesiger Kandelaber aus vergoldeter Bronze stand in der Mitte der langen Tafel. Sobald die Gäste sich gesetzt hatten, tischte ein Dutzend Lakaien den ersten Gang auf, der aus diversen Suppen, Fischgerichten, Pasteten und kalten Braten bestand. Danach folgten üppige Fleisch- und Wildspeisen.
Während die meisten der Gäste allein schon die Menge der servierten Speisen verwirrte, aß der Prinzregent sichtlich beglückt drei Stunden lang bis zum Ende des Dinners. Da Domino mit ihrem Vater am unteren Ende der Tafel saß, hoffte sie, der Aufmerksamkeit des Gastgebers zu entrinnen.
Nach der letzten Begegnung mit George wollte sie keinesfalls sein Interesse erregen. Diesmal war kein Joshua Marchmain zur Stelle, der sie retten würde. Er ließ sich noch immer nicht blicken. Aber sie hatte die Duchess und ihren Gemahl an der linken Seite des Prinzregenten entdeckt. Und ein misstönendes Gelächter verriet ihr auch Moncasters Anwesenheit. Ein paar Stunden lang musste sie den albtraumhaften Abend noch ertragen. Schaudernd ging sie am Arm ihres Vaters in den Ballsaal.
„Dem Himmel sei Dank, jemand war so vernünftig, für frische Luft zu sorgen“, bemerkte Alfredo. Durch die geöffneten Glastüren wehte eine vom Salzgeruch des Meeres erfüllte Brise herein. Die Sonne war bereits untergegangen, die Dämmerung hatte sich herabgesenkt. Erste Sterne glitzerten am Firmament. Es versprach eine traumhafte Spätsommernacht zu werden.
Das Orchester stimmte einen Volkstanz an, mehrere Paare versammelten sich auf der Tanzfläche. Als Domino sich umsah, stellte sie aufatmend fest, dass sie kaum jemanden kannte. Deshalb konnte sie neben ihrem Vater an einer Wand sitzen und die „nichtswürdigen Leute“ beobachten, die Carmela so sehr verachtete.
Aber da tauchten plötzlich einige junge Gentlemen auf und eilten zu ihr. Innerhalb weniger Minuten war ihre Tanzkarte fast voll. Nur fast – nicht einmal ihr nachsichtiger Vater durfte das strenge Gebot der Tanten missachten, das Mädchen dürfe unter keinen Umständen Walzer tanzen.
Eine Stunde lang tanzte sie mit einem jungen Mann nach dem anderen. Alle waren sehr nett, höflich und galant.
Doch der Herzenskummer ließ sich nicht wegtanzen. Freundlich lächelte sie, tanzte anmutig und hoffte, ihr Vater würde bald entscheiden, sie hätten dem Prinzregenten lange genug Respekt gezollt und könnten sich diskret zurückziehen.
Während einer lebhaften Quadrille blieb ihr beinahe das Herz stehen, denn sie beobachtete Joshuas Ankunft im Ballsaal. Mit seiner üblichen Eleganz übertrumpfte er die äußere Erscheinung aller anderen Gentlemen. Bald tanzte er. Natürlich mit der Duchess. Mit wem sonst? Domino sah, wie eifrig er auf seine Partnerin einsprach, wann immer die Tanzschritte sie zueinanderführten.
Sicher hat er ihr viel zu sagen, dachte sie bitter, nachdem er seine Zeit mit einem sinnlosen Flirt verschwendet hat.
Und die Herzogin würde ihm verzeihen, weil sie selber belanglosen Flirts nicht abgeneigt war. Als die Tänzer den Figuren der Quadrille folgten, spähte die Duchess zu Domino herüber und lächelte höhnisch. Offensichtlich genoss sie ihren Sieg in vollen Zügen.
Hastig schaute Domino weg und konzentrierte sich auf die Konversation ihres Partners. Wegen eines zerstörten Lebens und eines gebrochenen Herzens durfte die gesellschaftliche Fassade nicht bröckeln. Sie strauchelte, und ihr Partner hielt sie fest.
„Verzeihen Sie, Sir“, bat sie, „ich habe nicht auf meine Füße aufgepasst.“
„Oh, Sie sind eine exzellente Tänzerin, Miss da Silva“, versicherte der junge Mann galant und geleitete sie geschickt durch die nächsten Figuren.
Jetzt achtete sie auf ihre Schritte und plauderte mit ihrem Partner, obwohl sich alle ihre Gedanken um Joshua drehten. So nah war er – und doch so fern wie der afrikanische Dschungel.
Mechanisch bewegte sich ihr Körper im Takt der Musik. Aber in ihrem Gehirn echote der Rhythmus von bedeutsamen Worten: Die Vergangenheit darf die Zukunft nicht bestimmen. Diesem Prinzip war Christabel gefolgt. Im Gegensatz zu mir, dachte Domino. Jahrelang hatte sie ihrer sinnlosen Schwärmerei für Richard nachgetrauert. Und sobald sie sich von diesem Schatten befreit hatte, waren neue emotionale Wirren aufgetaucht – diesmal viel schmerzhafter. Im Rückblick erschien ihr der Abschied von Richard wie ein Nadelstich. Erst die Enttäuschung über Joshua hatte sie
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