Historical Saison Band 17
einem so unkonventionellen Mädchen, das allein ausging, war eine erfreuliche Abwechslung von der langweiligen Pflicht gewesen, Georges Launen zu ertragen. Warum der Prinz ihn unentbehrlich fand, verstand er nicht. Jahrelang hatte er sich von der gehobenen Gesellschaft ferngehalten, aber nach seiner Rückkehr war er sofort zu einem Favoriten im Royal Pavilion, der palastartigen Residenz des Regenten avanciert. Zuerst hatte er das amüsant gefunden, jetzt ödete es ihn an.
Ein Sommer in Brighton war ihm anfangs interessant erschienen. Ein Irrtum. Der Alltag des Prinzregenten bestand nur aus Banketten, Glücksspielen, Pferderennen, Musikabenden und Liebesaffären, genauso wie in London. Bei gelegentlichen Strandspaziergängen suchte Joshua Erholung von dem Trubel.
An diesem Vormittag hatte er die schlanke kleine Gestalt in cremefarbener Seide und Spitze sofort entdeckt. Der modische Strohhut hatte die widerspenstigen dunklen Locken kaum gebändigt. Und als sie zu ihm aufgeschaut hatte, mit großen braunen Augen in einem zauberhaften herzförmigen Gesicht, war eine seltsame Sehnsucht in ihm erwacht und glücklicherweise sofort wieder erloschen. Solche unwillkommenen Emotionen bezwang er schon seit Jahren, machte es das Leben doch viel einfacher.
Sobald Marston ihr die Tür öffnete, wusste Domino, dass sie mit Schwierigkeiten rechnen musste. Sichtlich erbost stand ihre Cousine in der Halle, eine Schürze um das schwarze Kleid gebunden. Der Butler zog sich wohlweislich zurück.
„Und wo genau warst du?“, zischte Carmela.
Domino antwortete nicht sofort. Bei ihrer Flucht vom Strand hatte sie ihre Absicht vergessen, einen Vorwand für ihre Abwesenheit zu besorgen und irgendeinen Firlefanz zu kaufen.
„Heute Abend gibt dein Vater einen Empfang, und du solltest mir bei den Vorbereitungen helfen“, fuhr Carmela in scharfem Ton fort.
Ja, natürlich, dachte Domino schuldbewusst. Als neuer spanischer Botschafter legte Alfredo da Silva großen Wert auf die Einladung an diesem Abend. Erst vor Kurzem hatte er sein Beglaubigungsschreiben erhalten. Und da der Prinzregent die heiße, staubige Hauptstadt verlassen hatte, um Erholung am Meer zu suchen, musste er dem Hof notgedrungen folgen. Vor ein paar Tagen hatte der Vater gerüchteweise erfahren, dass George vielleicht den Empfang beehren würde.
„Tut mir leid, Carmela“, versuchte sie, die empörte Cousine zu besänftigen, was ihr misslang. „Ich fühlte mich nicht wohl … Wie stickig es in diesem Haus ist, wenn die Temperaturen steigen, weißt du ja. Und ich dachte, ein Spaziergang an der frischen Luft würde mir helfen.“
Carmela schüttelte skeptisch den Kopf. „Draußen ist es noch stickiger. Und wie oft habe ich dir schon gesagt, du darfst nicht allein ausgehen? Wozu hast du eine Zofe, die dich überallhin begleiten würde?“
„Jetzt bin ich ja hier. Also sag mir, was ich machen soll.“
„Nichts.“
„Nichts?“
„Alles ist erledigt. Wie immer habe ich bis zur Erschöpfung gearbeitet.“ Wohl kaum, dachte Domino. Sie selbst hatte den Empfang schon vor Tagen geplant und es dann den Dienstmädchen überlassen, die Tische zu decken und die Blumen zu arrangieren. Außerdem hatte sie mit dem Küchenpersonal die Speisen und Getränke für das Dinner besprochen. Doch das erwähnte sie nicht, um ihre Cousine nicht noch mehr zu erzürnen.
Welches Opfer die Frau auf sich nahm, wusste Domino. Der Familie treu ergeben, konnte Carmela auf ihre steife Art sogar freundlich sein. Sie hatte nicht nach England kommen wollen, schon gar nicht in einen skandalösen Erholungsort, der für seine unmoralischen Extravaganzen in ganz Europa berüchtigt war. Trotzdem hatte sie sich hierher begeben, die Interessen der Familie über ihre eigenen gestellt und die angenehme Ruhe ihres Madrider Heims verlassen. Domino wäre viel lieber allein mit ihrem Vater nach England gereist. Aber Carmelas Anwesenheit war der Preis, den sie für ein paar Monate in wundervoller Freiheit zahlen musste.
Sie eilte die Stufen zu ihrem Zimmer hinauf. Erleichtert schloss sie die Tür hinter sich. Hier war sie außerhalb der Reichweite ihrer Familie. So unwillkommen sie ihre bevorstehende Heirat auch fand – die Ehe würde ihr wenigstens den endlosen Tadel ihrer Verwandtschaft ersparen. Die Tanten hatten ihr drei geeignete Bewerber vorgeschlagen und erklärt, sie müsse nur ihre Wahl treffen. Jeder sei imstande, das immense Vermögen und die Ländereien zu verwalten, die sie an ihrem
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