Historical Saison Band 18
Augen verlieren, ermahnte sie sich zum hundertsten Mal. Ihre Gefühle oder ihr verletzter Stolz waren nicht von Bedeutung.
„Es tut mir leid. Ich bin nur ein wenig traurig. Die ganze Angelegenheit scheint sich ewig in die Länge zu ziehen.“
Das war nicht direkt gelogen, und er schien ihr zu glauben, denn er antwortete: „Es wird nicht mehr lange so weitergehen. Habe nur noch eine Weile Geduld, dann wird das ganze Theater vorbei sein.“ Er hob plötzlich den Kopf, als hätte er ein Geräusch gehört. „Bis dahin sollten wir uns beide bemühen, unsere Rollen auszufüllen, denn ich glaube, wir sind nicht länger allein.“
Noch bevor Georgiana sich versah, hielt er sie in seinen Armen gefangen. Doch kein Gefangener auf der ganzen Welt hätte so wenig wie sie den Wunsch verspüren können, den Fesseln zu entkommen. Als seine Lippen sich auf die ihren legten, war an eine Flucht nicht mehr zu denken. Ihr Verstand schien zu entschwinden und ihrem Körper gänzlich die Kontrolle zu überlassen – einem Körper, der sofort auf die verführerischen Berührungen reagierte. Ihr eigener Wille schien unter seinem leidenschaftlichen Kuss dahinzuschmelzen. Sie ergab sich ganz diesem Gefühl und wünschte nur, dass Bens Liebkosungen niemals enden würden. Erst als er sich schließlich von ihr löste, konnte sie wieder einen annähernd klaren Gedanken fassen.
War es nur Einbildung, oder hatte seine Stimme erneut diesen heiseren Klang wie nach ihrem ersten, unvergesslichen Kuss? Georgiana war unfähig, sich ein Urteil darüber zu bilden, denn sie spürte noch die Wärme, die seine innige Umarmung in ihr heraufbeschworen hatte. Er musste seinen Vorschlag, in den Ballsaal zurückzukehren, noch einmal wiederholen, bevor sie ihm antworten konnte und zustimmend nickte. Als sie die Terrasse verließen, fiel ihr gleichwohl auf, dass sie dort nach wie vor allein waren.
14. KAPITEL
N achdem eine weitere Woche verstrichen war, ließ Georgianas Freude an dem Aufenthalt in der Großstadt entschieden nach. Zum einen hatte die ganze Woche über schlechtes Wetter geherrscht, sodass sie um das Vergnügen gebracht wurde, mit ihrer neuen Stute auszureiten. Zum anderen hatte sich Lord Fincham nur bei zwei Gelegenheiten blicken lassen. Am Dienstagabend hatten sie sich kurz auf einem Fest gesehen, wo sie jedoch kaum miteinander gesprochen hatten. Zwei Tage später hatte er dem Haus der Grenvilles unerwartet einen Besuch abgestattet, um seine Abreise aus London anzukündigen. Auf seinem Landsitz sei etwas vorgefallen, was dringend seine Anwesenheit erfordere. Er beabsichtige, die Stadt am nächsten Tag zu verlassen und so bald als möglich zurückzukehren.
So war es kaum verwunderlich, dass Georgiana dem neuen Tag, der vor ihr lag, wenig Begeisterung entgegenbrachte. Viel später als sonst stand sie auf und war freudig überrascht, als sie aus dem Fenster blickte und Straßen und Häuser in strahlendes Sonnenlicht getaucht sah. Zwar war der herrliche Vormittag schon fast vorbei, doch sie wollte wenigstens den Rest des Tages in vollen Zügen auskosten. Also gab sie Anweisung, die Stute zu satteln, und begab sich zu den Stallungen. Als sie gut gelaunt dort eintraf, wartete nur der mürrische Reitknecht der Witwe als Begleiter auf sie.
„Wo ist Digby?“, fragte sie enttäuscht.
„Kann ich nich’ sagen, Miss. Er is’ heute in aller Früh aufgebrochen. Ja, noch in der Morgendämmerung. Er sagte, er wär’ ein oder zwei Tage fort.“
Sie machte ihrem Ärger mit anschaulichen Schmähungen Luft, die den wortkargen Knecht ziemlich belustigten und dazu führten, dass er etwas gesprächiger wurde, als sie sich auf den Weg zum Hyde Park machten. Dennoch war er kein Ersatz für Digby, und Georgiana war nach wie vor erzürnt über das unangekündigte Verschwinden ihres Dieners.
Natürlich konnte sie sich schon denken, weshalb er sie im Stich gelassen hatte. Gewiss hatte Lord Fincham ihn beauftragt, eine wichtige Aufgabe zu übernehmen, während er selbst nicht in der Stadt war. Es empörte sie nicht so sehr, dass sie für ein oder zwei Tage auf Digby verzichten musste, sondern vielmehr erboste sie die selbstherrliche Einstellung des Viscounts, der zu glauben schien, er könne ihren Diener herumkommandieren, ohne sie vorher zu fragen. Warum hatte er bei seinem Besuch am Vortag nicht erwähnt, dass er Digbys Dienste benötigte? Und weshalb hatte Digby selbst ihr nichts davon gesagt? Das Ganze sah nach einer verdammten Verschwörung aus!
Eine
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