Historical Saison Band 18
war Georgianas Zorn verflogen und sie war von der Besorgnis der Countess gerührt. „Oh, ich glaube, ich verstehe“, entgegnete sie. „Wenn ich die Angelegenheit richtig beurteile, kam Lady Pickering zu Ihnen, um Sie vor den Gerüchten zu warnen, nach denen ich die uneheliche Tochter des verstorbenen Earls sei.“
Die Witwe versuchte erst gar nicht, zu widersprechen. „Glauben Sie mir, Kind, ich wäre stolz, Sie als meine Enkelin bezeichnen zu dürfen, aber ich glaube nicht ernsthaft, dass wir blutsverwandt sind. Ihre Mutter war eine höchst ehrenwerte Frau. Ich bin aufrichtig überzeugt, dass sie Sie nach dem Namen Ihres Vaters benannt hat. Leider spielt es keine Rolle, was ich glaube. Ich würde Sie nur zu gern vor boshaftem Gerede und beleidigenden Blicken bewahren. Da dies jedoch nicht in meiner Macht steht, habe ich vollstes Verständnis, wenn Sie lieber aufs Land zurückkehren möchten.“
Zaghaft lächelnd erhob sich Georgiana. „Ich bin die Tochter meines Vaters und werde mich nicht bei den ersten Widrigkeiten zurückziehen. Gerüchte können mir nichts anhaben, Mylady. Erstens, weil ich weiß, dass sie nicht stimmen, und zweitens, weil ich nicht hier bin, um einen Ehemann zu finden. Ich bin hier, weil ich herausfinden muss, wer den Mann getötet hat, den ich geliebt und geachtet habe und der für mich die Rolle eines Vaters einnahm.“
Die Witwe warf ihr einen anerkennenden Blick zu. „Es gibt noch etwas anderes, das Sie wissen sollten, mein liebes Kind“, kündigte sie an, als Georgiana sich schon zum Gehen wandte. „Anscheinend ist Lord Fincham in der Stadt eingetroffen, und Lady Pickering geht fest davon aus, dass er ihr morgiges Fest besuchen wird.“
Nur für einen kurzen Moment zitterten Georgianas Finger, als sie sie nach dem Türgriff ausstreckte. „In diesem Fall sollte ich nicht länger zögern, mich zu Sophia in die Tanzstunde zu begeben, Madam. Ich sollte besser alle Tänze beherrschen, für den Fall, dass er mich auffordert.“
Nachdem sie leise die Tür hinter sich geschlossen hatte, seufzte Georgiana tief. Ihre Handflächen fühlten sich feucht an und ihr Herz schlug schnell und ungestüm. Der Tag, den sie ebenso herbeigesehnt wie gefürchtet hatte, war endlich gekommen! Nichts begehrte sie so sehr, wie sein scharf geschnittenes Antlitz und seine dunkelbraunen Augen wiederzusehen. Dennoch wurde sie von einem eisigen Schauder ergriffen, als sie daran dachte, wie er auf sie reagieren würde. Denn sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass er sie wiedererkennen würde.
Georgiana war ebenso nervös wie Sophia, als sie an diesem Abend das Haus verließen und mit einer Kutsche die kurze Entfernung bis zu Lady Pickerings imposantem Londoner Wohnsitz zurücklegten. Es war der erste Ball der Saison, den sie besuchten, und die Countess of Grenville hatte weder Kosten noch Mühen gescheut. Die jungen Damen trugen Abendkleider nach der neuesten Mode, deren Taille unter der Brust von einem zarten Band betont wurde. Der leichte Stoff der Kleider umschmeichelte vorteilhaft ihre schlanken Körper. Die Witwe hatte zudem eine erfahrene Zofe eingestellt, die besonders geschickt beim Frisieren war. Georgianas glänzende Lockenpracht war kunstvoll im griechischen Stil hochgesteckt – mit lockigen Strähnen, die über ihren Wangen schwebten. Sophias blonde Locken waren auf eine schlichtere Weise frisiert, die – ebenso wie der Pastellton ihres bezaubernden Kleides – besser zu ihrem zarten Alter passte. Georgiana, die etwas älter war als ihre Freundin, hatte sich für einen dunkleren Farbton entschieden und eine Kreation aus bernsteinfarbener Seide ausgewählt.
Ein kurzer Blick in Lady Pickerings elegantes Gesellschaftszimmer genügte Georgiana, um festzustellen, dass der Viscount nicht zugegen war. Andernfalls hätte sie ihn sofort ausgemacht, da er aufgrund seiner stattlichen Größe stets aus der Menge herausragte. Georgiana wusste nicht recht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Doch es blieb ihr keine Zeit, über ihre widerstreitenden Empfindungen nachzudenken. Kaum hatten Sophia und sie auf den an einer Wand aufgestellten Stühlen Platz genommen, als zwei sympathische junge Gentlemen sie zu der ersten Folge von Contredances aufforderten, die im angrenzenden großen Salon getanzt wurden. Sophia versuchte gar nicht erst, ihre Freude zu verbergen. Georgiana hingegen war weniger glücklich, ließ sich dies aber nicht anmerken.
Im Laufe der Jahre hatte sie sich an die
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