Historical Saison Band 19
einen erbitterten Kampf lieferten. In gewisser Weise fühlte er sich verantwortlich für diese großherzige Frau, in deren haselnussbraunen Augen nun eine Mischung aus Begierde und Wut aufblitzte.
Warum nur fühlte er sich für sie verantwortlich? Lag es etwa allein daran, dass er es seit Jahren gewohnt war, sich um andere zu kümmern, sei es um Dienstboten oder seine Unteroffiziere? Hugo streckte eine Hand aus, doch Emilia stieß sie fort.
„Lass das! Ich bin keine Nonne. Ich bin immer noch jung und ich bin einsam.“ Trotz ihrer Bemühungen, ihre Stimme zu dämpfen, brachen die Worte so heftig aus ihr heraus wie die Sturmflut aus einem gebrochenen Damm. „Ich gehöre weder zu den Dorfbewohnern, noch kann ich darauf hoffen, jemals von einem Gentleman umworben zu werden oder wieder zu heiraten. Ich verzehre mich vor Sehnsucht, wenn du mich berührst, aber ich werde nicht deine Mätresse werden! Und es ist verwerflich, dass du mich derart in Versuchung bringst!“
„Emilia …“ Erschrocken über ihre Worte, wagte er es nicht, sie zu berühren.
Sie wandte sich ab. „Vermutlich sollte ich mich bei dir entschuldigen. Schließlich habe ich mich selbst in diese Situation gebracht. Ich habe meinen Eltern Schande bereitet. Manchmal frage ich mich, ob Giles auch getötet worden wäre, wenn er in dieser Nacht nicht hätte spielen müssen, um uns zu ernähren.“
„Dieser Gedanke ist absurd“, sagte Hugo scharf. „Es war sein Beruf. Er konnte jederzeit in einen solchen Streit geraten.“
„Ich weiß, dass es absurd ist!“ Sie wirbelte zu ihm herum, offenbar ebenso verärgert über sich wie über ihn. „Glaubst du etwa, das erleichtert mein Gewissen, wenn ich in den frühen Morgenstunden über all das nachgrübele? Wenn ich mich frage, was ich meinen Söhnen angetan habe? Und sag mir jetzt nicht, dass es sie gar nicht geben würde, wenn ich nicht durchgebrannt wäre. Noch mehr Vernunft kann ich im Moment nicht ertragen.“
Hugo sah, wie ihr Ärger verebbte. Zurück blieb eine erschöpfte, tapfere junge Frau, auf deren Schultern zu viel Verantwortung lastete. In ihrem Herzen wohnte so viel Kummer, dass nur noch die Liebe zu ihren Söhnen und schiere Willenskraft sie noch aufrecht zu halten schien.
„Ich habe mich mit meinem Leben abgefunden, bis du gekommen bist“, sagte Emilia mit einer verletzenden Ehrlichkeit. „Du bist so … männlich. Und du bereicherst unser Leben. Ich mag dich und ich weiß, dass du ein anständiger Mann bist. Dennoch wünschte ich mir manchmal, ich könnte mein Gewissen und meine Söhne nur kurz vergessen und mit dir schlafen. Nur einmal.“
„Emilia.“ Was sollte er darauf sagen? „Es tut mir leid“ war völlig unpassend. Die Wahrheit – dass er sie ebenso sehr begehrte – konnte er aber unmöglich aussprechen. „Das Tauwetter hat bereits eingesetzt. Morgen reise ich ab.“
„Gut“, sagte sie mit tonloser Stimme. „Lass uns jetzt nach unten gehen, lächeln und Weihnachten feiern.“
Hugo folgte ihr die Treppe hinunter, doch es gelang ihm nur unter Aufbietung all seiner Willenskraft, ein Lächeln aufzusetzen.
Die Zwillinge standen bereits neben dem Geschenkeberg, die Hände auf dem Rücken verschränkt, als müssten sie sich auf diese Weise zwingen, die Finger von den Gaben zu lassen.
„Welches öffnen wir zuerst?“, fragte Emilia. Die Freude in ihrer Stimme war echt, wurde ihm klar. Gleich, wie verzweifelt sie sich auch fühlte, ihre Söhne machten sie glücklich.
„Du zuerst, Mama“, sagte Nathan und reichte ihr Hugos sorgfältig eingepacktes Geschenk. Aus Furcht, er müsse doch noch einer Einladung seiner Kameraden folgen, hatte er vorsorglich in Frankreich seine Satteltaschen mit zahlreichen Präsenten gefüllt.
Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie das Band löste und das Papier zurückschlug.
„Oh, wie hübsch!“, rief sie atemlos, als sie das Seidentuch erblickte. Behutsam legte sie es sich um die Schultern und rieb die Wange an dem weichen Stoff. Die goldenen, roten und braunen Farbtupfer, die sich wie verwehtes Herbstlaub durch die Seide zogen, schmeichelten ihren glänzenden braunen Haaren und brachten die goldenen Punkte in ihren Augen vorteilhaft zur Geltung. „Danke, Hugo, ich werde es wie einen Schatz hüten.“
Joseph reichte Hugo die Flasche. „Das ist von uns.“
Er öffnete sie und nahm vorsichtig einen Schluck. Der Alkohol brannte sich auf direktem Weg in seinen Magen. „Vielen Dank. Davon sollte ich besser immer nur wenig
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