Historical Saison Band 20
hatte einen bleibenden Eindruck bei Anthony hinterlassen. Wieder führte Claudia sich vor Augen, wie wenig sie über seine Vergangenheit wusste.
„Einmal wurden sie und Robert von den Franzosen gefangen und verhört“, fuhr er fort. „Es war eine sehr schwierige Situation und sie entkamen nur mit knapper Not.“
„Wie aufregend! Ich kann es kaum erwarten, sie kennenzulernen.“
„Ich glaube, ihr werdet euch sehr gut verstehen.“ Er lachte leise. „Immerhin habt ihr viel gemeinsam.“
„Meine kläglichen Heldentaten lassen sich kaum mit ihren vergleichen, fürchte ich.“
„Nichts an deinen Errungenschaften ist kläglich.“
„Wie soll ich das verstehen?“
„Als ein Kompliment, meine Süße. Als großes Kompliment.“
Der Blick, mit dem er sie bedachte, war so aufrichtig, dass es ihr das Herz erwärmte. Umso mehr drückte sie das schlechte Gewissen, weil sie selbst alles andere als aufrichtig mit ihm war. Sie musste endlich den richtigen Moment finden, ihm die Wahrheit zu sagen.
Das Geräusch galoppierender Hufe und das Rattern von Eisenrädern auf dem Pflaster riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah gerade rechtzeitig auf, um das Pferd und den Wagen zu sehen, die in halsbrecherischem Tempo auf sie beide zugedonnert kamen. Hinter dem offensichtlich verängstigten Pferd schwang der Wagen wild hin und her, aber darauf saß kein Fahrer. Während das Gefährt auf sie zuhielt, lenkte Matthew die Pferde so weit an den Rand, wie er nur konnte, aber auf der engen Straße war es unmöglich, einem Zusammenprall zu entgehen.
Anthony fluchte leise und ergriff Claudia, warf sie auf die andere Seite der Kutsche und schirmte sie mit seinem Körper ab. Das Hufgeklapper wurde lauter. Augenblicke später brach Chaos aus – Hufe schlugen aus, Holz splitterte, Pferde schrien auf. Die Kutsche schlingerte und schleuderte ihre Insassen auf die Seite. Claudia keuchte entsetzt auf. Im nächsten Moment sah sie die Lederpolster, dann die Tür, den Himmel, den Stoff von Anthonys Jacke. Endlich hörte die Bewegung auf, und mehrere Herzschläge lang war es unnatürlich ruhig. Erst dann, wie aus weiter Ferne, hörte sie aufgeregte Stimmen und herbeieilende Schritte. Sie versuchte, sich aufzusetzen, aber die Kutsche hatte sich in einem bedenklichen Winkel zur Seite geneigt, und Claudia wurde von Anthonys Gewicht behindert. Als sie sich bewegte, rückte er ein wenig von ihr ab und sah auf sie hinunter.
„Geht es dir gut?“
Sie brachte ein schiefes Lächeln zustande. „Ich glaube, ja.“
„Dem Himmel sei Dank.“ Er beugte sich hinüber, um die Tür zu öffnen, und nahm dann die Hand, die Claudia ihm reichte. „Lass mich dir heraushelfen.“
Er sprang hinunter und hob sie behutsam heraus. Ein leichenblasser Matthew eilte auf sie zu. „Sind Sie verletzt, Mylord? Mylady?“
Anthony schüttelte den Kopf. „Nein, es geht uns gut.“
„Es tut mir so leid …“
„Du konntest nichts tun, Matthew. Wenn du nicht so schnell an den Rand gefahren wärst, hätte es sehr viel schlimmer ausgehen können.“
Der Zusammenprall hatte eins der hinteren Räder abgerissen. Die Pferde selbst waren unverletzt, wenn auch beinahe zu Tode erschrocken. Claudia schluckte mühsam. Sie hatten großes Glück gehabt. Inzwischen sah Anthony zu der Gruppe von Menschen hinüber, die sich um sie versammelt hatte.
„Wessen Wagen ist das?“, fragte er.
Einer der Männer trat vor. „Das weiß niemand, Monsieur.“
Anthony seufzte und wandte sich an Matthew. „Zweifellos wird der Besitzer sich bald melden. Lass dir von den Leuten helfen, die Pferde loszuschneiden. Ich bringe Ihre Ladyschaft nach Hause.“
Claudia legte die Fahrt nach Hause in Anthonys beschützender Umarmung zurück. So wie er sie auch kurz vor dem Unfall mit seinem eigenen Leib geschützt hatte. Es war so wundervoll, seine Arme um sich zu spüren, sich sicher zu fühlen.
Als sie das Haus erreichten, schlug er vor, sie solle sich hinlegen, aber sie weigerte sich.
„Es geht mir gut, Anthony, wirklich.“
„Bist du sicher? Du bist immer noch sehr blass und zitterst.“
„Ein bisschen heißer Tee ist das beste Stärkungsmittel.“
Er schien eher skeptisch, widersprach aber nicht. Nachdem er dafür gesorgt hatte, dass sie bequem in einem Sessel vor dem Kamin im Salon saß, wies er einen Diener an, ihnen Tee zu bringen. In der Zwischenzeit füllte er zwei Gläser mit Branntwein und reichte ihr eins davon.
„Hier, das wird dir helfen.“
Es kräftigte sie tatsächlich, und
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