Historical Weihnachten Band 01: Das Geschenk der heiligen Nacht / Die Winterbraut / Licht der Hoffnung
bewaffnete Wachen standen daneben, direkt davor kniete ein Mönch, der in sein Gebet vertieft war. Jeder Diener, der an dem Banner vorbeikam, verbeugte sich so wie am Abend zuvor.
Sie wandte sich ab und versuchte, ihren Ärger hinunterzuschlucken, doch sie konnte nicht vergessen, welchen Preis an Menschenleben dieses Stück Stoff schon gefordert hatte. Und all seinem Reichtum zum Trotz war Edmund de Graves nicht willens und nicht fähig, sich von diesem einen Objekt zu trennen.
Ein junger Mann kam zu ihr und verbeugte sich vor ihr. Vermutlich ein Junker, der aber kurz davor stehen musste, zum Ritter geschlagen zu werden, da er ein in Reichtum und Macht begründetes Selbstbewusstsein ausstrahlte.
„Mylady, Lord Edmund wünscht Euch zu sprechen, wenn Ihr bereit seid.“
Unwillkürlich machte ihr albernes Herz einen Satz. „Wo?“
„In seinen Gemächern, Mylady.“
Fast hätte sie gefragt, ob es überhaupt ziemlich war, ihn dort aufzusuchen, doch dem Junker konnte sie kaum eine solche Frage stellen. Außerdem würde Lord Edmund in seinen Gemächern nicht allein anzutreffen sein. Also ließ sie sich von dem jungen Mann bis zu den privaten Räumlichkeiten und zu einer mit kunstvollen Schnitzereien überzogenen Tür führen. Ein ironisches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie überlegte, dass die Tür aussah wie der Zugang zu einem Schrein. Lediglich der bewaffnete Wachmann davor wäre in dem Fall nicht nötig gewesen.
Was glaubten sie eigentlich, wer ihren Herrn in seiner eigenen Burg überfallen würde?
Die Tür wurde ihr geöffnet, und Joan machte einen Schritt nach vorn, blieb aber gleich wieder vor Erstaunen stehen. Sie konnte einfach nicht anders, weil sie noch nie einen Raum wie diesen gesehen hatte.
Die Stellen an den Wänden, die nicht mit Teppichen behängt waren, hatte man mit Blumen und Tieren bemalt. Alle tragenden Balken wiesen Schnitzereien auf und waren ebenfalls bemalt, was auch für jedes Möbelstück in diesem Zimmer galt.
Durch zwei Fenster mit klarem und mit farbigem Glas fiel Licht in den Raum, zwischen beiden Fenstern sorgte ein großer offener Kamin für Wärme. Onkel Henry hatte sich auch eine Feuerstelle in einer Wand seines Zimmers einbauen lassen, doch die verteilte meist den Rauch im ganzen Raum. Hier dagegen reichte eine Art Haube weit ins Zimmer – eine Haube, die aus Gips gefertigt sein musste, da man Stein nicht so fein bearbeiten konnte – und bis hinauf an die Decke. Dadurch war offenbar sichergestellt, dass aller Rauch in den Schornstein aufstieg und von dort nach draußen gelangte, sodass in diesem Gemach eine angenehme Wärme herrschte und man trotzdem Luft holen konnte, ohne einen Hustenanfall zu bekommen. Auf dem Boden gleich vor ihren Füßen lag ein dicker Webteppich in kräftigem Rot und Blau auf cremefarbenem Grund.
Außer Edmund, der in seinem Bett lag, hielten sich noch zahlreiche andere Leute in diesem Raum auf, die alle ihren Blick auf sie gerichtet hatten und die alle auf dem kostbaren Teppich standen. Es kostete sie Überwindung, selbst auch darauf zu treten, doch dann machte sie ein paar Schritte nach vorn und deutete einen Knicks an. „Ihr wolltet mich sprechen, Mylord?“
Sein Bett wirkte wie die Ruhestätte einer kostbaren Reliquie, voller Schnitzereien und so reich verziert wie alles in diesem Raum. Es war behängt mit schweren Stoffen in leuchtenden Farben, dicke Pelze lagen am Fußende zusammengefaltet und dienten zweifellos nur als prunkvolle Dekoration. Niemand würde in einem solch warmen Zimmer je einen Pelz benötigen.
„Wenn Ihr Euch bitte setzen würdet, Lady Joan.“ Edmund deutete auf einen Stuhl neben dem Bett. Ein Junker trat vor, um ihr behilflich zu sein.
Erst jetzt bemerkte sie, wer sich, abgesehen von dem Junker, noch im Raum aufhielt: zwei Diener, ein Page mit rosigen Wangen, ein Mönch an einem Tisch, der auf einem langen Stück Pergament etwas niederschrieb, sowie eine in Schwarz gekleidete Gestalt, vielleicht ein Arzt.
Ein Stuhl, dachte sie, als sie Platz nahm. Und dazu auch noch ein gepolsterter. Ehe sie hergekommen war, hatte sie noch nie auf etwas anderem als einer Bank oder einem Hocker gesessen. War dies tatsächlich eine große Ehre, die man ihr damit zuteilwerden ließ, oder gehörte es ganz einfach zu dem erstaunlichen Luxus auf Mountgrave?
Die Anwesenden bereiteten ihr Unbehagen, als sie erklärte: „Ich hoffe, es geht Euch gut, Mylord.“
„Wunden schmerzen nun einmal, Lady Joan, aber es scheint, dass meine
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