Historical Weihnachten Band 6
breite Pritsche, die sie noch nie mit jemandem geteilt hatte, würde heute Nacht ihr Ehebett sein.
4. KAPITEL
L éod hätte die Gelegenheit nutzen können, die Ländereien zu besichtigen, die eines Tages seinen Söhnen gehören würden. Die MacKails besaßen viel Land, und durch seine Hochzeit mit Helene würde ihm einiges davon sofort zufallen, der Rest würde später an ihre Kinder gehen. Er hatte also allen Grund, sich den Besitz genauestens anzusehen. Doch statt sich mit dem Statthalter zu treffen oder den Burgverwalter zu befragen, zog Léod sich in Helenes Gemächer zurück, sobald der Anstand es ihm gestattete, sich vom Festessen zur Feier der letzten Raunacht in der Großen Halle zurückzuziehen. Helene selbst hatte darum gebeten, trotz des Festes ein einfaches Mahl in ihrer Kammer einnehmen zu dürfen, und nach der langen Reise hatte er ihr dies gestattet. Er selbst hatte in aller Eile das Mahl mit einigen der engsten Vertrauten der MacKails eingenommen.
Nun klopfte er an die Tür, die eine Magd ihm gewiesen hatte. Dahinter verbarg sich Helene.
Er konnte keinen Augenblick länger warten, sie endlich zu besitzen.
Irgendwo im Raum antwortete ihm jemand leise. Er konnte die Worte nicht verstehen und hatte keine Ahnung, was ihn erwarten würde, als er die Tür öffnete und eintrat.
In einen stockfinsteren Raum.
„Helene?“ War sie es gewesen, die ihm geantwortet hatte, oder eine Magd? Sie würden sich heute Nacht zu Tode frieren, wenn nicht bald jemand ein Feuer im Kamin entfachte. Was für eine Burg feierte die Raunächte, ohne in jedem Schlafgemach ein Feuer zu entzünden?
„Ich habe noch nicht vor, mich sehen zu lassen“, antwortete eine Stimme, die er beinahe nicht erkannt hätte. Die Worte allerdings kamen ihm augenblicklich bekannt vor. Er selbst hatte sie erst letzte Nacht ausgesprochen.
„Wo bist du?“ Angestrengt sah er sich um. Wartete sie irgendwo im Dunkeln mit gezücktem Dolch auf ihn?
Oder hatte sie etwas viel Aufregenderes als Rache im Sinn? Bei dem Gedanken schlug sein Puls plötzlich schneller.
„Ist das wichtig?“ Die neckische Antwort schien vom anderen Ende des Raums zu kommen.
Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, und er sah, dass im angrenzenden Aufenthaltsraum ein Feuer brannte. Der gedämpfte Schein der Flammen ließ die Schatten an einer Wand des Zimmers flackern und tanzen. Léod erkannte die Umrisse einer Pritsche. In einer Wand war eine Schießscharte, die enge Öffnung gerade breit genug für einen Bogenschützen, um im Notfall die Burg zu verteidigen. Daneben standen ein Waschtisch und eine Wäschetruhe. Von Helene keine Spur.
„Es ist sogar sehr wichtig.“ Bei dem Gedanken daran, wie sehr er sie wollte, schnürte sich ihm die Kehle zu. „Ich bin hier, um zu erfahren, was für ein Mensch du wirklich bist, nicht, für wen man dich hält.“
In der Stille, die diesen Worten folgte, nahm er auf einmal ihren Duft wahr. Hörte sie leise atmen. Neben der Schießscharte entdeckten seine scharfen Augen eine Bank, und darauf fand er sie, in der dunkelsten Ecke des Raums.
„Wirklich?“ Sie saß völlig regungslos, ihre zarte Gestalt in eine schwere wollene Decke gewickelt. Ihr langes dunkles Haar fiel offen herab und schien noch feucht von dem Bad, das sie gerade genommen hatte. Der Geruch nach Seife lag im Raum, gemischt mit dem Duft verbrennender Pinienzweige, der vom Feuer im Nebenraum stammen musste.
„Aye.“ Während er auf sie zuging, fragte er sich, was sie vorhatte. Fühlte sie sich einsam und verlassen? War dieses Treffen im Dunkeln vielleicht dazu gedacht, Frieden zwischen ihnen beiden zu schließen? „Was ich letzte Nacht gesagt habe, habe ich auch so gemeint. Ich will, dass du aus eigenem Antrieb zu mir kommst. Nach dem, was mit Margaret passiert ist, könnte ich es nicht ertragen, noch eine Ehe zu führen, in der meine Ehefrau mich fürchtet.“
„Du hast mich hereingelegt.“ Sie sprach offen aus, was sie dachte. Genau das, so hatte er zu ihr gesagt, wünschte er sich von seiner Ehefrau.
Sie wickelte die Decke noch fester um sich, als sie letzte Nacht den Umhang gehalten hatte. Seltsam, dass sie ihm als seine Ehefrau stärkeren Widerstand entgegenbrachte denn als seine Geliebte.
Und was trug sie wohl unter dieser Rüstung aus schwerer Wolle? Sein Mund wurde trocken beim Gedanken daran.
„Ich glaubte, dass du mich ungerecht beurteilst. Darum wollte ich dir beweisen, dass du unrecht hattest und dass ich dich sehr wohl dazu
Weitere Kostenlose Bücher