Historical Weihnachten Band 6
Ausschmückung kaum fassen. Derart aufwendige Vorbereitungen für die Wintersonnenwende hatte er selten zu Gesicht bekommen; niemals hätte er so etwas in seinem eigenen Haus zugelassen. Aber das war noch nicht alles. Benedick riss vor Erstaunen den Mund auf, als eine Frau auf ihn zueilte, um ihn zu begrüßen.
Sie war jung und blond, ihr goldenes Haar fiel ihr in langen seidigen Wellen offen über den Rücken. Sie war hübsch, sogar liebreizend, denn ihre Haut war makellos, ihr kleiner Mund besaß anmutig geschwungene Lippen, und ihre Augen waren blauer als der Himmel.
Sie näherte sich Benedick mit einem Lächeln, das gerade, weiße Zähne sehen ließ, und sie sprach mit einer weichen Stimme, die in seinen Ohren sowohl süß als auch sinnlich klang. „Willkommen daheim, Sir“, sagte sie und blickte mit einem Glühen in den Augen zu ihm auf.
Er hatte nicht die geringste Vorstellung, wer diese Frau sein mochte.
„Wer zum Teufel seid Ihr?“, wollte er wissen.
Noel Amery versuchte, das Entsetzen zu verbergen, das beim Anblick ihres Vormunds in ihr aufstieg. Seine Ankunft kam nicht nur unerwartet; er schien auch ein ganz anderer Mensch geworden zu sein, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte.
Es war schon fünf Jahre her, seit sie gemeinsam mit ihrem Vater dem neuen Nachbarn einen Besuch abgestattet hatte. Doch diese Jahre schienen den Mann, der nun vor ihr stand, schwer mitgenommen zu haben. Oh, er sah noch immer gut aus, mit dem mächtigen Leib eines Ritters und Gesichtszügen, die wie gemeißelt wirkten. Aber in dieses Gesicht hatten sich tiefe Linien eingegraben, und es wies zahlreiche Narben auf; der ganze Mann wirkte rau und ungepflegt, das dunkle Haar hing ihm zerzaust bis über die Schultern, in seinen schwarzen Augen funkelte Verachtung.
Er wirkte so furchterregend, dass sie beinahe ein paar Schritte rückwärts gemacht hätte. Doch sie widerstand dem Drang und reckte entschlossen das Kinn, denn er hatte kein Recht, grob zu ihr zu sein. „Ich bin Noel Amery“, sagte sie klar und deutlich. „Euer Mündel.“
Er starrte sie voller Abscheu an, und Noel spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Sein unedles Verhalten ist gar nicht das eines Ritters, dachte sie empört. So hatte sie ihn nicht in Erinnerung. Er musterte sie, als wäre sie eine der Dirnen, die den Lagern der Ritterheere nachzogen.
Mit seinen schwarzen Augen, die sie damals so anziehend gefunden hatte, musterte er sie von oben bis unten. Hatte sie sich alles nur eingebildet? War dies derselbe Mann, der sie vor fünf Jahren so sehr betört hatte?
„Ich habe kein Mündel“, sagte er kalt. Noel hätte beinahe vernehmlich nach Luft geschnappt. Hatte er nicht nur seine Manieren vergessen, sondern auch den Verstand verloren?
„Ähm, Sir, ich bitte um Vergebung, Sir, aber doch, Ihr habt ein Mündel, Sir.“ Hardwin, der freundliche Verwalter, eilte zu ihrer Rettung herbei, und Noel schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel. „Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich Euch eine Botschaft gesandt, dass Euer guter Nachbar Master Amery verstorben ist und Euch zum Vormund seiner Tochter Noel berufen hat.“
Der Ritter kniff die Augen zusammen, und Noel hielt es für das Beste, ihm weitere Erklärungen zu liefern. „Wir wurden uns bereits vorgestellt, Sir Villiers.“ Sein Name klang ganz fremd in ihren Ohren, hatte sie doch so oft nur als Benedick an ihn gedacht. Ihr Benedick.
Was er offenkundig überhaupt nicht war.
Noel holte tief Luft und fuhr fort. „Mein Vater und ich kamen hierher, um Euch willkommen zu heißen, als Ihr Longstone in Euren Besitz genommen habt. Er war so von Euch beeindruckt, dass er Vorkehrungen traf, mich im Falle seines Todes Eurer Güte zu überlassen.“ Sie versuchte, es nicht so klingen zu lassen, doch der stumme Vorwurf, dass er nicht nur sie, sondern auch ihren Vater im Stich ließ, war unüberhörbar. Der hochgewachsene Ritter erwiderte nichts.
„Ihr habt mir eine Botschaft zukommen lassen, Sir“, fügte Hardwin etwas nervös hinzu, „ich solle mich der Angelegenheit annehmen.“
Benedick ließ Noel nicht aus den Augen, während er sich in grobem Ton an seinen Verwalter wandte. „Und Eure Vorstellung davon, Euch der Angelegenheit anzunehmen, war, ihr die Schlüssel meines Heims zu übergeben und sie hier zur Hausherrin zu machen?“
Hardwin wurde rot, und Noel hätte Benedick seine Grobheit am liebsten um die Ohren geschlagen. „Sie, äh, hatte sonst keinen Platz, wo sie hingehen konnte, Sir, und
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