Historical Weihnachten Band 6
Messe seinen Segen geben, er macht das bestimmt gern!“
Sir Wilfrid lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete die beiden jungen Menschen, die da so glücklich, so ungeduldig und erwartungsvoll vor ihm standen. Sie sahen so atemlos aus, als wären sie einen weiten Weg gelaufen, und – was war denn das in Giselles Haar? Hatte sich da nicht ein kleiner Halm Stroh verfangen?
Wie es aussah – und Sir Wilfrid konnte sich durchaus an eine denkwürdige Begebenheit erinnern aus der Zeit, als er noch ganz offiziell um sein geliebtes Weib geworben hatte –, hatte also Sir Myles seine Leidenschaft nicht zügeln können und die Hochzeitsnacht ein wenig vorgezogen.
Dass aber Giselle eingewilligt hatte, war so irrwitzig, dass Sir Wilfrid nur mit Mühe einen Ausbruch von Heiterkeit unterdrücken konnte. Stattdessen räusperte er sich nur und versuchte, Würde zu bewahren. „Nun gut, wenn Vater Paul einverstanden ist, die Zeremonie schon heute abzuhalten, dann sehe ich keinen Grund, warum ihr nicht heiraten solltet.“
„Oh, danke, lieber Onkel, lasst Euch umarmen!“
„Auch ich sage meinen ergebenen Dank“, stimmte Myles ein, und in seiner Förmlichkeit war sogar ein Hauch der alten Arroganz spürbar, die sein Auftreten immer begleitete. Allerdings wirklich nur ein Hauch. „Ich liebe Giselle. Sie ist eine außergewöhnliche Frau und wird mit Sicherheit eine ebensolche Ehefrau.“
Sir Wilfrid erhob sich, ging zum Fenster und strich über seinen dichten grauen Bart. „Ich vermute, Ihr habt Euch dessen bereits vergewissert, Sir Myles, aber es liegt mir fern, Euch deshalb zu verurteilen. Wie ich meine liebe Giselle kenne, war sie daran nicht ganz unbeteiligt.“
Noch bevor Giselle widersprechen konnte, hob er die Hand und gebot ihr zu schweigen. „Warum sollte ich meine Einwilligung zu dieser überstürzten Hochzeit geben, wenn ich so etwas nicht vermuten würde?“
„Sir, wir …“
„Ich brauche keine Erklärung von Euch, Myles, was ich weiß, ist mir genug. Glaubt mir, ich habe genügend Erfahrung mit Giselles Temperament und mit ihrem Starrsinn, und ich kann nur hoffen, dass Ihr diese Eigenschaften zu schätzen wisst und damit umgehen könnt.“
„Sie ist gerade deshalb zweifellos die perfekte Frau für mich, Sir Wilfrid.“
„Nun, ich hoffe, Ihr wisst, worauf Ihr Euch einlasst. Ich möchte wetten, dass ich nächstes Jahr an Weihnachten schon meine erste Großnichte oder meinen ersten Großneffen auf den Knien schaukele, während das nächste Kind schon unterwegs ist.“
Giselles Gesicht wurde so rot wie die Beeren der Stechpalmen unten im Saal. „Aber Onkel!“
„Was ist? Etwas Besseres könnte dir doch gar nicht passieren. Du wirst keine Zeit mehr haben, um Unfug zu machen. Und nun fort mit euch, ein alter Mann wie ich braucht bei den ganzen Feierlichkeiten auch einmal seine Ruhe.“
Beide machten eine tiefe, übermütige Verbeugung und wandten sich zur Tür, blieben aber auf der Schwelle noch einmal stehen.
„Das ist das schönste Weihnachtsfest meines Lebens, lieber Onkel“, jubelte Giselle, und ihre Stimme zitterte vor Glück.
„Meines auch“, sagte Myles. Sir Wilfrid musste sich mehrmals räuspern, und in seinen Augen glitzerte es feucht.
„Und mich dünkt“, setzte er hinzu, „es wird für uns alle auch ein wunderschönes neues Jahr!“
– ENDE –
Mein Ritter unterm Mistelzweig
1. KAPITEL
W eihnachten! Zwei Wochen des Feierns und des Fröhlichseins! Verratet mir mehr von dieser Burg, die Euch gehört, Benedick. Vielleicht finde ich ja dort eine hübsche Magd fürs Fest!“
Benedick Villiers beäugte seinen Knappen misstrauisch. Alard war erst kürzlich an die Stelle des umsichtigen Wystan getreten, der bedauerlicherweise bei einem Scharmützel ums Leben gekommen war, und wirkte viel jungenhafter als sein Vorgänger. Die Knappen werden ständig jünger, dachte Benedick finster, während er selbst sich viel älter fühlte, als er eigentlich war.
Inzwischen zählte er sechsundzwanzig Jahre, aber er kämpfte bereits seit einem Jahrzehnt, indem er gegen entsprechende Entlohnung seine Dienste als Ritter anbot. Die letzte Streitigkeit war kaum mehr gewesen als ein Geplänkel über einen Grenzverlauf, doch man hatte ihn dabei gefangen genommen, und dann war er einen ganzen Monat lang eingesperrt gewesen, bis man ihn gegen Lösegeld wieder freiließ. Der Kerker war nicht einmal der schlimmste gewesen, da hatte Benedick schon anderes gesehen, doch sein erzwungener
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