Historical Weihnachten Band 6
gelaufen, das so frei sprach, aber irgendwie war das auch erfrischend. Bei dem Gedanken schnitt er eine Grimasse und sagte sich selbst, dass Noel es eben nicht besser wusste, weil sie so jung und so wenig weltgewandt war.
„Gut“, sagte sie, und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das den ganzen Saal zu erleuchten schien. Benedick ertappte sich dabei, wie er sie anstarrte, und er blickte entschlossen zur Seite. „Ich würde mir ungern etwas zu Weihnachten wünschen, das einem anderen Menschen zum Nachteil gereicht.“
„Zu Weihnachten wünschen?“ Benedick richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf sie. Wovon redete sie denn jetzt? Konnte dieses Mädchen denn nie etwas sagen, das auch einen Sinn ergab?
„Meine Mutter sagte immer, dass Weihnachtswünsche in Erfüllung gehen, besonders für mich, da ich am Weihnachtstag geboren bin. Daher habe ich auch meinen Namen, versteht Ihr?“
Benedick konnte sie nur mit offenem Mund anstarren, denn er war nicht in der Lage, ihre verdrehte Logik zu entkräften. Für ihn waren Weihnachten, Geburtstage und Wünsche an höhere Mächte nur Unsinn.
„Ich wollte mich nur versichern, dass es niemanden sonst in Eurem Herzen gibt, bevor ich mir Euch wünsche.“
„Ihr wollt Euch zu Weihnachten wünschen, dass … ich Euch heirate?“ Benedick konnte es nicht glauben. Ganz wie er vermutet hatte, war sie doch nur ein Kind, auch wenn sie gut Buch führen konnte. Er war voller Verachtung. Aus Wünschen wurde nie etwas, wie er sehr wohl wusste. Nur mit harter Arbeit, Kampf und Qual konnte man etwas erreichen, und selbst dann sollte ein Mann niemals seinen Frieden finden.
„Ich denke darüber nach“, sagte sie und beschenkte ihn mit einem weiteren strahlenden Lächeln.
Benedick ignorierte es ebenso entschlossen wie die Wärme, die plötzlich in ihm aufstieg. „Genug von solchen Torheiten!“, sagte er. „Ich will mit Euch über das hier reden.“ Mit verkniffenem Mund schob er ihr das Buch zu.
„Nicht jetzt.“ Sie wedelte leichthin mit einer Hand. „Es ist Zeit zum Essen, und danach habt Ihr viel wichtigere Dinge zu tun.“
Benedick bemerkte, dass immer mehr Menschen an den langen Tischen Platz fanden. Was hatte dieses anmutige Weib nur an sich, das ihn so gefangen nahm, dass er seine Umgebung gar nicht mehr registrierte? Nein, sie nahm ihn nicht gefangen, sie verwirrte ihn bloß, sagte er sich und verzog das Gesicht.
Die Mahlzeit war viel besser als das bescheidene Abendessen gestern, sehr zufriedenstellend für einen Mann, der an Kerkersuppe gewöhnt war. Noel machte ihn darauf aufmerksam, dass es wegen des Feiertags zwölf Gänge gab, aber die Zahl war ihm gleichgültig, Hauptsache, es gab genug Fisch, Fleisch, Wild, Kohl und Lauch und zum Schluss noch einen Pflaumenkuchen.
Nicht einmal die Anwesenheit von Noel, die sich voller Anmaßung neben ihn gesetzt hatte, verdarb ihm den Appetit, und er schlug sich den Bauch voll, erfreut über das gute Essen und die Art, wie sein Haushalt geführt wurde.
Benedick zeigte Hardwin seine Anerkennung mit einem Nicken, der jedoch errötete und zu Noel hinüberblickte, als wäre auch sie dafür verantwortlich. Benedick runzelte die Stirn und sah das Mädchen an, aber bevor er ihm eine Frage stellen konnte, hatte Noel sich schon erhoben.
Zu seiner Verblüffung ergriff sie seine Hand, als wolle sie ihn aus dem Stuhl ziehen. Er konnte es kaum glauben, denn außer Alard, der sich um sein Kettenhemd kümmerte, fasste ihn sonst niemand an. Ihre kleinen Finger, warm und weich wie Seide, verschränkten sich mit seinen. Ihre Haut war weiß und zart und ohne Makel.
„Ich habe den Julklotz bereits ausgesucht, aber als Herr des Hauses ist es Eure Pflicht, ihn anzuzünden.“
„Wie bitte?“ Benedick starrte sie begriffsstutzig an, immer noch ganz bewegt davon, wie ihre Hand sich anfühlte.
„Der Julklotz. Wie es die Tradition gebietet.“ Sie ließ ihre weißen Zähne blitzen.
Der Julklotz? Bevor Benedick begreifen konnte, was hier vorging, rief sie den anderen etwas zu und zog ihn hoch. Ihre Hand war anmutig wie die eines Kindes, doch sie besaß die Kraft einer Frau. Benedick spürte, wie Hitze in ihm aufstieg.
Leise vor sich hin fluchend, riss er sich los, achtete nicht auf die Enttäuschung in ihrem Gesicht, aber es war schon zu spät, um sich diesem absurden Ritual zu entziehen. Erstaunlich viele Menschen drängten sich bereits um ihn, zogen an seiner abgerissenen Weste und schwatzten aufgeregt durcheinander. Noel nannte
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