Historical Weihnachten Band 6
hatte wirklich angenommen, das Mädchen würde neben ihm liegen. Entsetzt fuhr er hoch und atmete schwer.
Mit einem kurzen Blick überzeugte er sich, dass niemand da war außer Alard, der friedlich auf seiner Pritsche neben der Tür schlief. Angewidert fuhr Benedick sich mit der Hand durchs Haar. Noel, dieses Gefühl … Es war alles nur ein Traum gewesen.
Er träumte sonst nie.
Kopfschüttelnd schwang er die Beine aus dem Bett und versuchte, an etwas anderes zu denken. Er war es nicht mehr gewohnt, in einem Bett zu schlafen, und die neue Einrichtung, die Gerüche in seiner Burg irritierten ihn, alles war herausgeputzt wie für ein Fest für Kinder. Die Probleme eines Grundbesitzers belasteten ihn sowieso, und das aufdringliche Mädchen war eine unerwartete Zugabe. Kein Wunder, dass er nicht wie sonst schlafen konnte.
„Auf, auf, Junge!“, brummte er und griff nach seinen Sachen.
„Was? Was ist?“, murmelte der Knappe schlaftrunken und rieb sich die Augen. Benedick vermutete, dass der Junge gestern einen Becher Ale zu viel zu sich genommen hatte und nun die Folgen spürte, doch er hatte kein Mitleid mit seinem Knappen.
„Der Morgen graut, Zeit aufzustehen, wie du ganz genau weißt“, antwortete er kurz angebunden.
Der Junge öffnete ein Auge und stöhnte. „Aber wir sind doch nicht auf dem Schlachtfeld!“
„Trotzdem, es gibt eine Menge zu tun.“
Alard ließ sich auf seine Pritsche zurückfallen und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. „Ihr durftet ein Bad genießen, saubere Bezüge und das weichste Bett der gesamten Christenheit. Wie kommt es, dass Ihr so früh schon auf seid und auch noch schlechte Laune habt?“
„Ich habe nicht gut geschlafen“, wiegelte Benedick ab und schnürte sich die Stiefel zu. Aber in Wirklichkeit stimmte das gar nicht. Sein sonst so tiefer Schlummer war von süßen Träumen durchsetzt gewesen, ein Gefühl von Leichtigkeit und Zufriedenheit erfüllte ihn. Er verzog das Gesicht, weil er das nicht einmal sich selbst eingestehen wollte.
„Ihr?“, spottete Alard gutmütig. „Ihr schlaft doch immer wie ein Toter! Ich habe schon gesehen, wie Ihr Euch ein Lager aus Felssteinen bereitet habt und das behaglich fandet.“
„Dann ist wohl meine garstige Wesensart der Grund“, erwiderte Benedick. „Und wenn du nicht noch mehr davon zu spüren bekommen willst, solltest du dich schnellstens erheben.“ Demonstrativ stieg er über den Jungen hinweg und öffnete die Tür.
An der Schwelle blieb er stehen, weil er eine von Alards flapsigen Erwiderungen erwartete, doch der Junge musterte ihn mit merkwürdiger Neugier. Verärgert über den forschenden Blick seines Knappen schlug Benedick die Tür hinter sich zu.
Der Anblick des Saales besserte seine Stimmung auch nicht. Die Dienerschaft stand gerade erst auf, und er musste sich selbst ein erstes schnelles Frühstück zubereiten. Zwar hatte er sein ganzes Leben lang für sich selbst gesorgt, doch in seinem eigenen Haus wünschte er, bedient zu werden. Ärgerlich rief er nach dem Verwalter, der jedoch noch im Bett zu liegen schien, was Benedick noch mehr verstimmte.
Er setzte sich an den Tisch und beobachtete, wie die Burg langsam zum Leben erwachte. Zugegeben, es roch viel besser als früher – das mochte an den Zweigen liegen, die von jedem Torbogen und Durchgang herabhingen. Durchaus ein Wohlgeruch, aber natürlich lachhaft.
Benedick lehnte sich in dem Stuhl zurück, der ihm schon gestern Abend aufgefallen war. Ein hübsches Möbelstück, schwer und mit so hoher Lehne, dass er den Kopf daran ruhen lassen konnte. Während seines letzten Aufenthalts hatte er diesen Stuhl nicht wahrgenommen, oder zumindest konnte er sich nicht daran erinnern, aber er war auch nur sehr kurz hier gewesen. Benedicks Blick wanderte zu dem kleineren Stuhl, auf dem Noel gestern gesessen hatte, als sie ein leichtes Abendbrot zu sich nahmen. Wieder stieg Spannung in ihm auf. Das aufdringliche Gör hatte es sich in seinem Haus für seinen Geschmack viel zu bequem eingerichtet – ganz zu schweigen von dem Traum, den er lieber vergessen würde.
„Sir Villiers?“ Benedick wandte seine Aufmerksamkeit dem Verwalter zu. Der alte Mann erschien ihm schläfrig und ein wenig zerzaust, als habe er sich in aller Eile angezogen, aber Benedick zeigte kein Mitleid.
„Ich will die Schlüssel zur Burg haben, und dann möchte ich einen Einblick in die Bücher haben“, sagte er kühl.
„Aber heute ist der Heilige Abend“, protestierte Hardwin.
Benedick
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