Historical Weihnachtsband 1991
nonchalant.
„Bist du dir überhaupt bewußt, mit wieviel Verspätung du gekommen bist?"
„Ich würde sagen, ungefähr genauso spät wie du neulich bei unserer Verabredung im Restaurant." Er zog die dunklen Augenbrauen hoch. „Gehen wir? Ich habe auch noch Einkäufe zu tätigen. Anders als Ruth habe ich bisher kaum etwas für Weihnachten besorgt."
Amelia warf sich in die Brust und ging auf die Tür zu. Wenn sie sich nicht vorgenommen hätte, Yancy den Tag zu vermiesen, hätte sie es rundweg abgelehnt, mit dem Mann irgendwohin zu gehen.
„Oh, Yancy", sagte Ruth, indem sie sich erhob. „Sie haben doch immer noch vor, morgen zu uns zum Thanksgiving-Dinner zu kommen, nicht wahr?"
„Ich freue mich schon darauf. Wird das vor oder nach der Hausbesichtigung bei mir stattfinden?"
„Ich bitte um Verzeihung?"
„Hat Amelia Sie nicht von ihren Plänen unterrichtet, mein Haus umzubauen?"
Amelia zuckte zusammen, setzte aber unbeirrt ihren Weg nach draußen fort.
Nachdem sie außer Sichtweite war, blieb sie stehen, um zu lauschen, wie das Gespräch weiterging.
Ruth sah Yancy verständnislos an. „Wovon reden Sie? Warum sollte sie so etwas tun wollen?"
Yancy lachte. „Fragen Sie sie doch selbst. Um wieviel Uhr . . ."
Amelia hatte genug gehört und ging weiter zur Haustür. Der einzige Grund, warum sie von einem Umbau von Yancys Haus gesprochen hatte, war der, ihn zu ärgern. Es überraschte sie nicht, daß es nicht funktioniert hatte. Überhaupt schien den Mann nichts von dem, was sie bisher versucht hatte, abzuschrecken. Sie lächelte, als sie daran dachte, ihm Nitroglyzerin ins Schlafzimmer zu legen.
Der Butler hielt ihr die Tür auf, und Amelia trat hinaus. Zu ihrer Überraschung stand dort keine Kutsche. Sie blickte die lange, halbkreisförmige Auffahrt hinauf und hinunter — es war nicht einmal eine in Sicht. Als sie die Haustür sich öffnen und wieder schließen hörte, fragte sie: „Wie sollen wir denn in die Stadt kommen?" Sie fühlte Yancys Gegenwart an ihrer Seite. „Vielleicht zu Fuß?"
„Wie sonst?" entgegnete er. „Wir laufen." Er faßte sie am Ellbogen und führte sie die Freitreppe hinunter.
Amelia schrak zusammen. „Ich denke ja gar nicht daran zu laufen!"
„Du hast vor, mich von Geschäft zu Geschäft zu schleifen, um mich mürbe zu machen, deshalb dachte ich, ein kleiner Spaziergang bis zur Stadt könnte auch nichts weiter schaden. Es ist ja nicht weit."
Amelia wollte nicht zugeben, daß er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
„Oder soll ich dich vielleicht tragen?"
Amelia ließ ein boshaftes Kichern hören. „Das würdest du ja doch nicht schaffen —
es ist viel zu weit."
„Willst du es auf einen Versuch ankommen lassen?"
„Nein. Ich bin genauso gut zu Fuß wie du." Ohne seine Hilfe ging sie den Rest der Treppe hinunter.
Fünf Blocks weiter begann Amelia das Atmen schwerzufallen. „Müssen wir denn so schnell gehen?" fauchte sie Yancy an.
„Aber nicht doch. Du bist diejenige, die das Tempo bestimmt."
Sie haßte ihn. Er schnaufte nicht einmal.
Amelia pries ihr Glück, als das erste Geschäft, zu dem sie kamen, ein Hutmacher war. Zwar kam sie nur selten einmal hierher, aber jetzt ging sie geradewegs hinein, weil sie hoffte, sich endlich hinsetzen zu können.
„Nehmen Sie bitte Platz, Madam", sagte der Hutmacher begeistert. „Suchen Sie nach etwas Bestimmtem? Wir haben eine große Auswahl."
Yancy nahm sich einen anderen Stuhl und entspannte sich. Er hatte seinen Spaß daran zuzusehen, wie Amelia einen häßlichen Hut nach dem anderen aufprobierte und dem Hutmacher dabei vorflunkerte, wie wunderschön sie alle seien. Er wußte, daß sie ihren toten Punkt überwunden hatte, als sie aufstand und sagte: „Tut mir leid, daß ich nichts Passendes gefunden habe. Vielleicht ein andermal." Yancy folgte ihr hinaus.
Zwei Stunden lang marschierte Amelia von Geschäft zu Geschäft. Sie ließ keines aus und sah sich praktisch jeden einzelnen Artikel, der zum Verkauf stand, an. Das einzige, was sie schließlich kaufte, war eine Diamantbrosche als Weihnachtsgeschenk für Ruth. Die ganze Zeit über wurmte es sie mächtig, daß Yancy keinerlei Klagen äußerte. Mit der ganzen Aktion hatte sie nur erreicht, daß sie selbst total erschöpft war. Obwohl der Gedanke, jetzt wieder den ganzen Weg zurücklaufen zu müssen, fast über ihre Kräfte ging, sagte sie Yancy, sie sei bereit, nach Hause zurückzukehren.
„Heißt das, du bist jetzt fertig mit Einkaufen?"
„Natürlich
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