Historical Weihnachtsband 1991
Draußen hörte sie zwar Tim mit der Axt Zweige abhauen, doch die Schüsse waren verstummt. Bald schon würde sie wissen, was sich bei der Brücke zugetragen hatte.
Ganz entschieden wischte Beth den Herdaufsatz ab, um gleich die Zweige und die Krippenfiguren aufzubauen, sobald Tim hereinkäme. Es dauerte dann noch eine ganze Weile, bis Hufschlag laut wurde. Sie lauschte. Es waren zwei Pferde. Schnell entzündete Beth die kostbare Kerze, die sie aus den verbogenen gegossen hatte. So legte sie letzte Hand an den festlichen Empfangsschmuck, der Jerrod Ross zugedacht war. Dann hielt sie es nicht länger aus, ruhig und gefaßt zu warten, und lief zur Tür.
Es war Jerrod, und er kam allein. Dabei führte er die Stute mit. Mit einem lauten Freudengeschrei stürmte Tim hinaus und nahm die beiden Pferde in Empfang. Beth eilte mit ausgestreckten Armen auf Jerrod zu und warf sich an seine Brust, daß ihm der Atem stockte.
„Autsch", entfuhr es ihm unwillkürlich, dann küßte er sie wild. „Das ist das schönste Willkommen in meinem ganzen Leben."
„Und es ist alles in Ordnung mit dir? Und mit deinen Leuten?"
„Wir hatten uns unter der Brücke verschanzt. Es gab keine schweren Verwundungen. Aber die Männer haben meine Leute mit ins Lager genommen, damit sie in der Lazaretthütte behandelt werden können. In einer Stunde etwa werde ich nach Berwyn reiten und ein paar andere aus meiner Brigade holen. Mir fehlt nichts außer einer Kleinigkeit am linken Arm."
„Oh, und das sagst du mir erst jetzt? Gewiß habe ich dir weh getan vorhin."
In seinem Blick verrieten sich Belustigung und Schmerz. Natürlich hatte Beth auf die Wunde gedrückt. Trotzdem strahlte er, sichtlich erleichtert, daß Beth ihn so herzlich empfangen hatte, und ließ sich ins Haus führen.
Als er dort die Tannenzweige bemerkte, die Krippenfiguren, die Kerze und das Weihnachtskissen, das Beth an die Wand gehängt hatte, glänzten seine Augen feucht, um seine Lippen zuckte es. Beth schob ihn zur Sitzbank und holte warmes Wasser herbei und Tücher, um sich um den verletzten Arm zu kümmern.
Jerrod Ross lehnte den Kopf mit dem zerzausten Haar zurück und schaute Beth aus halbgeschlossenen Augen zu, wie sie ihm aus der Uniformjacke und dem Gilet half.
Dann schnitt sie das Hemd auf, das blutdurchtränkt war, und schloß sekundenlang die Lider. Das Blut, die offene Wunde, die sehnige, haarige Brust verwirrten sie.
Als Beth das Blut abzuwaschen begann, schien Hitze von seinem Arm auf sie überzuströmen bis an die heimlichste Stelle.
„Hoffentlich tut es nicht zu sehr weh?" Endlich war die Wunde gesäubert und verbunden.
Er faßte Beth bei der Hand. „Wie könnte es, wenn du dich so rührend um mich kümmerst? Beth, bevor Tim wieder hereinkommt, wenn er die Pferde versorgt hat, möchte ich dir etwas sagen. Ich habe gehört, daß du selbst die ganze Strecke bis Valley Forge geritten bist, weil unser Ire in die Stadt gerufen worden war. Dafür kann ich dir niemals genug danken. Du hast mir das Leben gerettet, mir und meinen Leuten. Aber du hast mir auch auf eine andere Weise geholfen, mich gerettet, mich geheilt. Laß das alles für eine Weile, und hör mir zu."
Beth setzte sich ganz dicht an seine Seite, die Hände ruhig auf dem Schoß, Knie an Knie mit Jerrod Ross.
„Ich schulde dir endlich eine Erklärung, was meine Vergangenheit betrifft. . ."
Jerrod Ross schienen die Gedanken mehr zu schaffen zu machen als die Verwundung. Er schwieg. Eine eigenartige Stille hing zwischen ihnen. Auf seinen Zügen lag ein Ausdruck schmerzlicher Versunkenheit, so daß Beth sich einmal fragte, ob er eingeschlafen sei.
Endlich fragte sie leise: „Meinst du, wegen der anderen Frau, die du . . . geliebt hast?
Hat sie dich . . . verlassen?"
Er öffnete die Augen. Sie wirkten fast schwarz. Die Erinnerung schien ihn zu quälen.
„Ja", gab er zurück. „Aber es ist anders, als du denkst. Ich war etwa in Tims Alter, als mein Vater mit meinem älteren Bruder James nach London reiste, um dort Geschäftliches für unser Unternehmen in Boston zu erledigen. Vorher hatte er mir ans Herz gelegt, mich um meine Mutter zu kümmern. Ich habe das sehr ernst genommen."
Beth nickte verständnisvoll. Eben das hatte William auch Tim aufgetragen, als sie Abschied nahmen. Ihr Gewissen regte sich, daß sie trotzdem den Jungen so sehr verwöhnt hatte. Aber er war alles, was ihr geblieben war, das sie lieben konnte.
Freilich sah sie nun ein, warum Jerrod versuchte, den Jungen wie einen
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