Historical Weihnachtsband 1992
nach seiner Vergangenheit. Es zählte nur der Wunsch, die Freuden des Jetzt zu teilen.
Wortlos erfüllten sich ihnen langgehegte Träume und Sehnsüchte. Sie entflammten sich einer am anderen, wie der Feuerstein den Funken entzündet. Auf einmal war es Blair klar, daß es das war und nicht die Verweigerung der vergangenen Nacht, was Cameron verdiente. So genoß sie seine erfahrenen Zärtlichkeiten, und der kalte Lufthauch, der durch die offene Tür strich, vermochte nicht, ihre Glut abzukühlen.
Unvermutet, als Blair glaubte, die Knie gäben unter ihr nach, ließ Cameron sie los, führte sie zum Sessel am Kamin zurück und gab ihr einen Kuß auf die Wange. Dann wandte er sich zur Tür, als wolle er wortlos gehen.
„Cameron!" Was konnte sie sagen, wie ihm zu verstehen geben, daß sie nun begriffen und ihm das jahrelange Schweigen verziehen hatte! Als er stehenblieb und wartete, daß sie weitersprach, erinnerte sie sich seiner Worte aus der vergangenen Woche und lächelte. „Wie schön wäre es, kämest du erst, statt schon Abschied zu nehmen!" sagte sie träumerisch.
„Ja, Liebste, das wäre es allerdings", gab er mit einem glücklichen Lächeln zurück. Er war hingerissen, daß sie endlich begann, wieder Zutrauen zu zeigen, wollte sie aber auf keinen Fall in dieser Nacht drängen, noch weiter zu gehen. „Sei unbesorgt, die fröhlichen Tage haben erst begonnen. Ich schwöre dir, das Leben mit seiner Narretei wird dich nicht enttäuschen. Morgen komme ich wieder und helfe dir beim Backen!"
„Beim Backen?" wiederholte sie überrascht, doch er war bereits gegangen. Ihre Lippen brannten noch von seinen heißen Küssen, und sie sehnte sich nach mehr.
Welch wunderbarer Weihnachtstag war das gewesen!
★
Die folgenden Tage waren ebenso wunderbar. Cameron verbrachte die meiste Zeit in Duncan House. Er erklärte seine häufige Anwesenheit damit, daß er Miss Duncan unbedingt so oft besuchen müsse, weil die Leute ja annahmen, sie beide seien inoffiziell verlobt. Morgens, sobald der Nebel sich hob, gingen sie spazieren, und ritten aus, wenn der Mond am Himmel stand. Blair war sogar einmal zum Abendessen in Lindsay Hall gewesen, sehr zum Verdruß von Mrs. Brown. Cameron verstand es, das Gespräch so zu führen, daß es nicht zur ernsthaften Diskussion wurde. Jeder Frage nach seinem Leben in London oder der, wer denn wirklich hinter dem geheimnisvollen Dieb stecke, wich er mit einem Lächeln oder harmlosen Scherz aus. Jedesmal, wenn Blair soweit war, ihm rückhaltlos Vertrauen zu schenken, verschloß er sich, und sie mußte von neuem annehmen, er habe etwas zu verbergen, etwas Unerfreuliches und Gefährliches. Sosehr es sie auch drängte, ihn von ganzem Herzen zu lieben, sosehr kamen ihr Zweifel, weil er ihr nicht die ganze Wahrheit sagen wollte.
„Heute habe ich eine silberne Konfektschale von Lord und Lady Haverbrook bekommen", sagte sie, als sie am letzten Tag des Jahres beim Backen waren.
„Vermutlich zur Verlobung." Blair konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihren hübschen Küchenjungen zu necken. Sie hob die Hand und kniff ihn in die Nase, als er damit beschäftigt war, die Tabletts für die Teekuchen mit Mehl zu bestäuben. „Nun sag mir, was ich mit einem so seltsamen Menschen wie dir anfangen soll? Ich kenne keinen schottischen Mann, der auch nur daran dächte, so tief zu sinken und einer Frau bei der Hausarbeit zu helfen. Aber schmecken lassen sie es sich alle sehr gern!"
„Und ich kenne keine einzige kluge Frau in England, die es wagen würde, mich zu ärgern, wenn ich Mehl an den Händen habe", antwortete er und drohte ihr scherzhaft mit dem Zeigefinger.
„Auch keine, die ihre Kleider bei Miss Eloise's nähen läßt?"
„Nein!" erwiderte er, kam schnell um den Tisch und stäubte einen Tupfer Mehl auf Blairs Nase. Das war die Strafe für das helle Lachen, das seine betont finster gerunzelte Stirn bei Blair ausgelöst hatte. Bevor er ausweichen konnte, blies sie ihm Mehl ins Gesicht und wollte sich schleunigst aus dem Staube machen. Ihre Augen leuchteten so voll ungetrübten Glücks, so daß er sich nicht beherrschen konnte, Blair an sich zog und herzlich küßte. Es tat ihm wohl, daß sie seine Zärtlichkeiten duldete, sich in seine Arme schmiegte und sichtlich seine Nähe genoß.
Erst Mrs. Browns unüberhörbares Hüsteln brachte Cameron und Blair wieder zur Vernunft. Empört machte die Haushälterin sich mit Übereifer am Herd zu schaffen. „Zu meiner Zeit geschah dergleichen ganz
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