Historical Weihnachtsband 1992
um das Neue Jahr zu begrüßen. Beim letzten Glockenton brannte auch die letzte Wachskerze, und Blair lief zur Haustür in Erwartung des ersten Besuchers. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, daß es ein Mann mit dunklem Haar war, der den Fuß über die Schwelle setzte! Jetzt, da Cameron nicht mehr kommen würde, mußte eben Ian Ferguson genügen oder einer der anderen.
Es klopfte, ehe sie bereit war, den Gästen gegenüberzutreten. Doch als sie öffnete, wußte sie, daß sie schon immer auf diesen Mann gewartet hatte. Sie vergaß die immer gleichen Worte, die bei der Begrüßung zu sprechen waren, und warf sich in seine Arme. „Cameron, ich liebe dich!" rief sie strahlend aus.
„Daß du dieses Kleid trägst, hat es mir verraten", gestand er, zog sie ins Haus und stieß mit dem Fuß die Tür hinter sich zu.
„Und ich werde dir beweisen, wie sehr ich deine Gefühle erwidere."
„Ich dachte schon, du seist abgereist und nach London zurückgekehrt!"
„Wie konntest du annehmen, daß ich dich verlassen würde?" tadelte er zärtlich.
Die Nacht strahlte in ganz neuem Glanz, denn Blair glaubte, das Herz müsse ihr vor Freude zerspringen. Sie war überglücklich, endlich dort zu sein, wohin sie gehörte —
in Camerons Armen. Nachdem sie ihn fast verloren hätte, erwiderte sie seine Küsse um so leidenschaftlicher. Ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen, verrieten sie beide durch ihr Verhalten, wie eng und unlösbar sie miteinander verbunden waren.
Nun hielt Cameron es für angebracht, das Verlöbnis in aller Form sichtbar zu machen. Behutsam gab er Blair frei, zog ein kleines Päckchen aus der Tasche und sagte: „Es gehörte meiner Mutter, davor meiner Großmutter und ganz früher deren Mutter. Willst du es tragen zum Zeichen unserer Liebe?" fragte Cameron und holte ein Schmuckstück hervor.
„Eine Hochzeitsnadel!" sagte Blair und strich mit der Hand über die Filigranarbeit der alten Brosche. Die Engländer hatten den jahrhundertealten Brauch abschaffen wollen, doch die Hochländer hielten ihn in hohen Ehren. Dies war das bindende Zeichen der Einheit zwischen einem Mann und einer Frau. Daß Cameron das Juwel aufbewahrt hatte, war der Beweis, wie sehr er sein schottisches Erbe achtete.
Dieses Geschenk bedeutete, daß er Blair über alles liebte. Und doch wollte sie ganz sicher sein, ob er auch tatsächlich den Symbolgehalt der Geste kannte. „Cameron, wenn ich die Brosche trage, heißt das, daß ich deine Braut bin."
„Habe ich dir das nicht seit Tagen zu verstehen gegeben?" fragte er lächelnd und steckte ihr den Schmuck ans Kleid. „Du wirst mich heiraten, nicht wahr?"
„Natürlich", versicherte sie und bekräftigte ihre Entschlossenheit mit einem innigen Kuß.
In diesem Moment betrat Ian Ferguson das Haus. „Ein gesegnetes Neues Jahr und noch viele glückliche andere Jahre, Miss Duncan, Mylord! Lassen Sie sich nicht von mir stören", sagte er verständnisvoll, legte das traditionelle Silvestergeschenk von Salz und Brot auf den Kaminsims und wandte sich zum Speisezimmer, ohne den sich umschlungen haltenden Liebenden einen weiteren Blick zu schenken.
Die anderen Dorfbewohner freilich, die sich einfanden, waren keineswegs so rücksichtsvoll. Sie wollten dem jungen Paar unbedingt Glück wünschen und die beziehungsreiche Brosche der Braut bewundern.
Blair Duncan strahlte inmitten der Freunde und Nachbarn, die sich so offensichtlich mit ihr freuten. Cameron dagegen wurde es zunehmend ungemütlich unter den forschenden Blicken der Leute von Glenmuir. Es war nicht zu übersehen, daß sie die Herrin von Duncan House liebten und ihr Glück teilen wollten, aber mochte der Himmel wissen, ob und wann sie sich zurückziehen und ihn mit ihr allein lassen würden. Von der offiziellen Verlobung hatte er sich doch noch andere Freuden erhofft.
Er war im Begriff, den Fergusons und MacNabs den Vorschlag zu machen, zum nächsten gastfreundlich geöffneten Haus weiterzuziehen, als Lord Haverbrook hereinkam und fröhlich sagte: „Ein frohes Neues Jahr, Miss Duncan, Cameron! Bevor wir nach London aufbrechen, wollte ich nicht versäumen, vorbeizukommen und euch alles Gute zu wünschen. Den Bewohnern von Glenmuir aber möchte ich mitteilen, daß ich die Summe verdreifache, die ich auf die Ergreifung des Diebes ausgesetzt habe. Für dieses Jahr wird er sein Unwesen wohl nicht länger treiben.
Das ist mir klar. Gewiß weiß mancher von euch, wer der Halunke ist. Ich glaube, ihr könnt das Geld gut brauchen."
Mit
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